Microsoft über Surface-Geräte: "Stift in die Hand und die Tinte muss fließen"

In Berlin haben Vertreter von Microsoft die neuen Surface-Geräte vorgestellt und über ihre Philosophie gesprochen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 95 Kommentare lesen
"Wenn Sie den Stift in die Hand nehmen, muss die Tinte fließen"

Microsoft Hardware-Chef Panos Panay mit den Designern Kait Schoeck und Ralf Groene in Berlin

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Das Hardware-Team von Microsoft gastierte nach Stationen in London und Paris am heutigen Montag in Berlin, um die neuen Surface-Geräte vorzustellen. Deutschland ist für Microsoft ein wichtiger Markt im Commercial Segment. Damit bezeichnet das Unternehmen die Geschäftskunden. Commercial deckt zwei Bereiche ab: Microsoft 365 und die Surface-Geräte.

Dieses Portfolio baut Microsoft konsequent weiter aus. Nachdem Surface Pro in der vierten Generation Fuß fasste und sich als einträgliches Geschäft erwies, folgten in schneller Folge Surface Book und Surface Laptop. Microsoft nutzt dabei stark das Feedback der Unternehmenskunden. Der am 22. Oktober in den Verkauf gehende Surface Laptop 3 hat den Kundenwünschen entsprechend nicht nur eine Alcantara-Innenseite, sondern ist mit 13,5-Zoll-Display auch in einer Aluversion erhältlich. Die 15-Zoll-Version gibt es nur in Alu. Vor allem aber lässt sich das Gerät nun öffnen, indem der Tastaturdeckel abgenommen wird. Dadurch ist die SSD entfernbar, ebenfalls ein deutlicher Wunsch von Unternehmenskunden. Panos Panay beschrieb den Zwiespalt im Bemühen, ein möglichst attraktives Gerät nicht mit Schrauben zu verschandeln und dennoch die Reparierbarkeit zu verbessern. Anders herum wird auch ein Schuh draus: Bisher sind viele Geräte der Surface-Reihe schlicht gar nicht reparierbar.

Die Alu-Version des Surface Laptop ist an der Vorderkante höher als das Alcantara-Modell.

(Bild: Volker Weber)

Die größte Dynamik nimmt Microsoft bei der Digitalisierung wahr und meint damit die Ablösung alter Architekturen mit Servern im eigenen Rechenzentrum und Windows 7 auf Desktoprechnern, die mit eigenen Images bespielt werden und dann per System Center Configuration Manager (SCCM) administriert werden. Die neue Welt kommt aus der Azure Cloud und manifestiert sich beim Anwender in Form von "Modern Devices", die wie Smartphones und Tablets administriert werden: EMS (Enterprise Mobility und Security), Intune und Autopilot.

Panos Panay (Microsoft) im Gespräch mit Volker Weber (heise online)

(Bild: Rafael Zeier)

Unternehmen, die in diese Architektur investieren, sind gleichzeitig auch gute Surface-Kunden. Ein Microsoft-Manager sprach zum Beispiel von einem Kunden, der 1200 Surface Hubs kaufen will. Das ist ein Surface in der Größe eines Fernsehers, der sich wie ein Whiteboard auf einem rollenden Gestell oder an der Wand montieren lässt. Diese Geräte sind in Microsoft Teams integriert und lassen sich unternehmensintern für Besprechungen buchen und damit wie fliegende Besprechungen auch für kleine Gruppen einsetzen.

Die Modern Devices sind ein Wachstumsmarkt, der einzige Bereich, in dem PCs noch zweistellige Wachstumsraten zeigen. Microsoft zählt dazu Ultra Slims wie Surface Laptop, Convertibles und 2:1 wie Surface Book und Surface Pro und schließlich All-In-One wie Surface Studio. Den größten Anteil daran haben die Ultra Slims mit über 70 Prozent; deshalb erweitert Microsoft diese Familie der Surface-Laptop. Als besonderen Vorteil der Surfaces preist Microsoft das integrierte Management von UEFI über Treiber bis zu Windows und Office Plus an.

Surface Pro X hat einen neuen Connector für die Tastatur. Diese Surface Tastatur kann nicht an bestehenden Surface Pro verwendet werden.

(Bild: Volker Weber)

Bei Surface Pro X und Apple iPad Pro erkennt man, wie sich die Unternehmen gegenseitig befruchten. Mit der Tastaturhülle imitiert Apple den Kickstand des Surface und mit Surface Pro X setzt Microsoft nun auf eine neue Architektur mit ARM und Mobilfunk. Das Gerät kann man als Blaupause für alle zukünftigen Surface Pro nehmen. Dünn und leicht, mit einem flachen Stift, der im Tastaturdeckel induktiv aufgeladen wird, stets online per LTE. Wie gut nutzbar das Gerät im Alltag ist, wird sich aber erst in ausführlichen Tests beweisen müssen. Es ist nicht Microsofts erster Versuch, aus der Intel-Welt auszubrechen.

Microsoft liefert drei verschieden große Stücke Ohrstöpsel mit den Surface Earbuds, die den Gehörgang nicht verschließen sollen.

(Bild: Volker Weber)

Die Surface-Marke geht über Windows-Geräte hinaus. Zu den bereits eingeführten Surface Headphones kommen im ersten Quartal 2020 die drahtlosen Bluetooth-Ohrstöpsel Surface Earbuds hinzu, die in Berlin von der Designerin Kait Schoeck präsentiert wurden. Während die Headphones den Anwender durch Active Noise Cancelling isolieren wollen – mit der Option, auch mal in die Umgebung reinzuhören– sind die Ohrstöpsel für besonders komfortablen Sitz entworfen und isolieren den Anwender absichtlich nicht von seiner Umwelt. Mit einer Laufzeit von acht Stunden und zwei Nachladungen im Etui sollen Anwender diese Geräte möglichst lange tragen können und sie idealerweise vergessen. Man darf von Ohrhörern, welche die Ohren nicht verschließen, keinen druckvollen Bass verlangen, aber sie bieten immerhin einen ausgewogenen Klang, soweit man das in einem 15-minütigen Test beurteilen kann.

Gedacht sind solche Kopfhörer aber vor allem als eine weitere Schnittstelle neben den Klassikern Maus, Tastatur und Bildschirm. Auf die Frage, wo Microsoft denn die Zukunft der Tastatur sehe, etwa bei Geräten wie dem Surface Duo oder Neo, wich Panos Panay nicht aus, sondern erweiterte seine Antwort. Je nach der aktuellen Situation wollen Anwender nicht nur mit einer Tastatur arbeiten, sondern auch mit Sprache, Finger, Stift, und Gesten, ja selbst Augenbewegungen. "Wenn sie einen Gedanken haben und den niederschreiben wollen, dann denken sie im Idealfall nicht über das Werkzeug nach. Sie greifen einfach einen Stift, und dann muss die Tinte fließen." So stellt sich Microsoft die Modern Devices vor. Multimodal, mobil, mit verschiedensten Eingabemodi.

Die für Ende 2020 angekündigten Geräte mit zwei Bildschirmen hat Microsoft zwar schon geteasert, aber sie haben längst noch nicht alles erzählt. Auf die Frage, ob denn Neo und Duo auch noch eine erstklassige Kamera bekommen, meinte Panay, man könne so früh einfach noch nicht alles erzählen. Das sei eine schwierige Abwägung gewesen, was Microsoft jetzt schon preisgeben wolle, um Anwendungsentwickler zu interessieren, ohne gleich die ganze Roadmap preiszugeben. Android sei jedenfalls zweifelsohne das richtige Betriebssystem für ein kleines Dualscreen-Gerät. Dort gebe es bereits alle Anwendungen und zeigte auf seine Lieblingsprogramme Twitter und Spotify, Seite an Seite.

Design-Chef Ralf Groene mit Surface Duo

(Bild: Volker Weber)

Ein Gerät mit zwei Bildschirmen entspringt für Design-Chef Ralf Groene nicht dem Wunsch nach einem größeren faltbaren Bildschirm, sondern unterschiedlichen Nutzungsgewohnheiten. Auch auf dem Desktop haben viele Anwender lieber zwei Bildschirme statt eines großen. Dort läuft dann auf einem Bildschirm die Hauptanwendung und auf dem anderen nebensächliche Informationen. "Wir haben gelernt, dass zwei Bildschirme ungeheuer wertvoll sind, um dem Anwender zwei Programme gleichzeitig anzubieten." Mit einem großen Bildschirm würde dagegen häufig nur die Hauptanwendung größer dargestellt, mit abnehmendem Nutzen. Während Surface traditionell aus Magnesium gefertigt werden, um Gewicht zu sparen, werden Surface Neo und Surface Duo allseitig von Gorilla Glass eingefasst sein, um sie für Funkwellen transparent zu machen. Beide Geräte sollen stets online sein. (vowe)