Adobe drohte die Abschaltung seiner Creative Cloud in Venezuela

Adobe sah sich vom US-Präsidenten gezwungen, seinen Kunden in Venezuela Zugang zu hauseigenen Produkten zu entziehen. Ende Oktober wendete sich das Blatt.

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Adobe

(Bild: dpa, John G. Mabanglo)

Lesezeit: 4 Min.
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Buchstäblich im letzten Augenblick konnte Adobe die angedrohte Deaktivierung aller Benutzerkonten für seine Dienste in Venezuela stoppen. Das Unternehmen erhielt von der US-Regierung die Erlaubnis, sein Angebot in dem südamerikanischen Land aufrecht zu erhalten.

In einem Blogbeitrag auf der Unternehmenswebsite teilte Adobe mit, man habe nach Gesprächen mit der US-Regierung die Erlaubnis erhalten, die eigenen Produkte und Dienstleistungen weiterhin in Venezuela anbieten zu dürfen. Dies umfasse auch Creative Cloud und Document Cloud. Die Konten von Kunden, die zuvor bereits von Dienstleistungen ausgeschlossen worden waren, werde man nun reaktivieren. Auch die FAQ-Sektion auf der Adobe-Website ist bereits auf die neue Situation angepasst worden.

Anfang Oktober hatte Adobe angekündigt, seine Creative Cloud für venezolanische Kunden zu sperren. Bis zum 28. Oktober hätten Adobe-Nutzer in Venezuela Zeit, ihre Daten zu exportieren. Danach seien nicht nur die diversen Cloud-Speicher des Konzerns nicht mehr verfügbar, sondern auch Abos für Creative-Cloud-Applikationen würden vor dem regulären Ablauf gekündigt. Einzig die Online-Plattform Behance halte den Betrieb aufrecht.

Die Kunden hätte das hart getroffen, denn Adobe bietet seine Software schon länger nicht mehr als Kaufversionen an. Apps wie PhotoShop, InDesign oder Lightroom lassen sich lediglich abonnieren. Nur solange das Abo läuft, gibt es Updates, Zugang zum Cloud-Speicher und ähnliches. Hinzu kommt, dass viele der Adobe-Programme proprietäre Dateiformate nutzen, die nur Software dieses Anbieters vollständig unterstützen. Bis Monatsende hätten die Kunden zwar noch ihre Dateien aus der Cloud ziehen können, aber sie hätten häufig keine Software gefunden, mit der diese Dateien weiter nutzbar wären.

Regierungsanhänger protestieren gegen Trumps Wirtschaftssanktionen.

(Bild: Ariana Cubillos/dpa)

Der Grund für die Misere war die Executive Order 13884 des US-Präsidenten Donald Trump. Diese Anweisung richtet sich an Venezolaner und da insbesondere an Unterstützer der Maduro-Regierung. Dieser kämpft seit Monaten mit dem Oppositionsführer Juan Guaidó um die Macht im Land. Die USA und weitere westliche Staaten haben Guaidó als Staatschef anerkannt.

Konkret soll die Trump-Anweisung „fast alle Transaktionen und Services zwischen US-amerikanischen Firmen und Organisationen oder Personen in Venezuela“ unterbinden. Allerdings datiert sie von Anfang August, und es war unklar, warum Adobe erst spät reagiert und wieso das Unternehmen den eigenen Kunden eine enge Frist setzte. Viele andere große Tech-Konzerne interpretierten die Anweisung offenbar anders und bieten ihre Services weiter auch in Venezuela an.

Adobe sah sich zunächst nicht einmal in der Lage, Nutzern bereits gezahlte Abogebühren rückerstatten zu können. Im Prinzip wäre das konsequent, weil Rückerstattungen eben auch „Transaktionen“ sind. Trotzdem änderte Adobe seine Haltung: Man werde alle Gebühren am Ende Oktober zurückerstatten, die direkt an das Unternehmen für künftig nicht mehr nutzbare Lizenzen gezahlt wurden, teilte der Konzern mit. Man arbeite auch an einer solchen Möglichkeit für Partnerprogramme und Distributoren.

Es war unklar, wie Adobe zu seiner Interpretation der Executive Order kam, obwohl andere Konzerne sich anders verhalten. Möglicherweise gab es tatsächlich technische oder organisatorische Gründe, die die Firma zu ihrem Verhalten zwangen. Eine diesbezügliche Anfrage von c’t hatte Adobe bis Redaktionsschluss nicht beantwortet.

Dieser Artikel erschien zuerst in c't 23/2019.



Ein Kommentar von Hartmut Gieselmann

Dear Donald, Jahrzehnte lang dominierten IT-Produkte aus dem Silicon Valley den Weltmarkt und bauten ihre Führung zu unangefochtenen Monopolen aus. Alternativen konnten allenfalls in Nischen gedeihen. Doch mit Deiner Order zeigst Du nun der ganzen Welt, dass auf Produkte Made in USA kein Verlass ist – insbesondere, wenn es sich um Angebote wie „Software as a Service“ handelt. Denn wenn diese per Präsidentenerlass über Nacht einfach abgeschaltet werden können, wird es jeder klar denkende Kunde künftig vermeiden, seine Existenz daran zu knüpfen.

Dein Befehl schafft Versorgungslücken und schürt die Bedenken, sich von Google, Adobe & Co. abhängig zu machen. Mittelfristig stimulierst Du so die Nachfrage nach Alternativen, die nicht aus den USA kommen – frag mal Huawei. (syt)