Musik-Festivals: "Du kommst hier nicht rein"

Eine Kampagne in den USA zeigt sich erfolgreich gegen den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware auf Musik-Festivals. Ihre Schlagkraft ist ein schönes Beispiel dafür, wie ein sensibles Thema weitere Betroffene erreichen kann.

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"Stell dir vor, du gehst auf ein Musik-Festival oder Konzert und du musst dich zunächst vor ein Gerät stellen, das dein Gesicht scannt und analysiert. Sind deine Gesichtsmerkmale erstmal erkannt und in einer Datenbank gespeichert, könnte ein Computer zu der Entscheidung gelangen, dass du zu betrunken bist und dir der Eintritt verwährt werden sollte. Oder dass du 'verdächtig' aussiehst und du dich einem weiteren Screening unterziehen musst. Wenn du dann durch die Sicherheitsschleuse bist, könnte Gesichtserkennungstechnologie genutzt werden, um jedes noch so kleine Detail deiner Bewegungen zu tracken, sobald du einmal drin bist [auf dem Festival-Gelände oder in der Konzerthalle]."

Dieses orwell‘sche Szenario entwarfen jüngst Evan Greer von der Non-Profit Organisation "Fight for the Future" und der Musiker Tom Morello, der als Gitarrist bei der Crossover-Band Rage Against the Machine bekannt wurde, die nie vor politischen Statements zurückschreckte. In einem Gastbeitrag beim amerikanischen Portal Buzzfeed beziehen die beiden Stellung gegen die Nutzung von Gesichtserkennungssoftware auf Festivals und Konzerten.

Ihr Engagement kommt nicht von Ungefähr. Sie verkünden auch den Erfolg ihrer Kampagne "Ban Facial Recognition at Live Shows". Durch den Druck der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner haben 40 der weltweit größten Festivals offiziell versichert, diese Technologie nicht auf ihren Veranstaltungen einzusetzen, dazu gehören etwa das Coachella und das SXSW. Auslöser des Aufrufs zur Kampagne waren unter anderem Investitionen des Veranstaltungsriesen Ticketmaster bei Start-ups wie Blink Identity, die Entwicklungen auf dem Gebiet der Gesichtserkennung vorantreiben.

Dass die Welle der Software zur Gesichtserkennung anrollt und – ich möchte sagen, um sich greift, ist keine Frage, wir berichten regelmäßig darüber: Wie etwa über diesen Fall aus China, bei dem eine Frau nach einer Nasen-OP nicht mehr von Software bei Shopping- und Bezahl-Diensten "erkannt" wurde.

Was bei dem Beispiel aus China weit wegklingt, wird umso deutlicher bei dem Szenario, das Morello und Greer beschreiben. Wenngleich sie deutlich machen, dass die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, so sollte man auch hinzufügen, dass sie ebenso auch (noch) an den Kinderkrankheiten leidet, die in diesem Fall falsche Identifizierungen und der Auslieferung gegenüber voreingenommenen Algorithmen miteinschließt.

Das soll nicht bedeuten, dass gegen Gesichtserkennungssoftware nichts spricht, wenn sie ausnahmslos gut funktioniert. Nicht umsonst haben bereits einige Städte in den USA Biometrie-analysierende Software verbannt. Kalifornien hat sie bei Polizeikameras verboten. Es gibt eine Gegenbewegung – und die Kampagne von Morello und Greer bringt ihr Mögliches mit ein. Sie ist dabei in der Lage, mehr Leute für das Thema und die Gefahren zu sensibilisieren. Dabei kann sie vielleicht den ein oder anderen Konzertbesucher erreichen, der sich sonst nicht dafür interessiert hätte und sich nun damit auseinandersetzt.

(jle)