GOTO Berlin 2019: Mehr als Softwareentwicklung

Die Berliner Ausgabe der Softwarekonferenz GOTO stellt einen neuen Teilnehmerrekord auf – und versucht, Entwickler über den Tellerrand blicken zu lassen.

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GOTO Berlin 2019: Mehr als Softwareentwicklung
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Björn Bohn
Inhaltsverzeichnis

Mit knapp 1000 Teilnehmern hat die Softwareentwicklerkonferenz GOTO Berlin, die vom Ende Oktober 2019 stattfand, die bislang höchste Teilnehmerzahl erreicht. Anders als andere Fachkonferenzen setzen die GOTO Berlin und ihre internationalen Schwesterveranstaltungen den Schwerpunkt jedoch nicht auf bestimmte Techniken oder Programmiersprachen. Sie schicken sich hingegen an, das Themenfeld Softwareentwicklung in einem größeren Kontext zu verordnen und die Persönlichkeiten der Szene glänzen zu lassen – und das offensichtlich mit Erfolg.

Die GOTO 2019 fand im bcc am Berliner Alexanderplatz statt

An den drei Hauptkonferenztagen (zwei Workshop-Tage sind vorgeschaltet) wartet die GOTO Berlin gleich mit drei Keynotes pro Tag auf. Thematisch könnte der Unterschied dabei kaum größer sein. Den Auftakt macht Aino Vonge Corry, eine Expertin im agilen Umfeld mit einem Doktor in Computerwissenschaft, mit dem Thema "The Importance of Laughter". Gelacht wurde im Publikum in der Tat viel, der Bezug zur Softwareentwicklung ist jedoch nur anhand einiger Sprüche und Referenzen erkennbar. Die These, das Humor und Lachen wichtige Faktoren für ein gutes Arbeitsklima und folglich zufriedenstellende Bedingungen sind, ist nachvollziehbar. Exklusiv für die Softwareentwicklung ist sie allerdings nicht.

Dieses Phänomen zieht sich nahezu konsequent durch die restlichen Keynotes, die sich unter anderem mit der Digitalisierung in China (Christina Boutrup), Machine Learning (Erik Meijer, Feynman Liang), einem Liebesbrief an den Computer (Linda Liukas), Musikmachen mit Sonic Pi (Sam Aaron) oder dem Stand der Technik für Fußballschiedsrichter richten (Pierluigi Collina). Die Beziehung zur Software ist natürlich gegeben, die Vorträge bieten aber größtenteils faszinierendes Tellerrandwissen. Spannend, ein direkter Nutzen für die eigenen Projekte wird jedoch nicht immer geboten. Das müssen Keynotes jedoch auch nicht.

Die diesjährige GOTO hatte sich als Leitmotiv die Phrase "Explore Every Layer" gesetzt. Über die genaue Bedeutung und inhaltliche Aussagekraft lässt sich streiten, sie spiegelt aber gut das Konzept der Konferenz: Vielfalt. Auf der GOTO können Entwickler und andere IT-Profis jenseits ihrer regulären Fachgebiete schnuppern, kennenlernen und ausprobieren. Zu nahezu allen aktuellen Trends und Themen gibt es mindestens einen Vortrag. Das sorgt vielleicht nicht für ein einheitliches Erscheinungsbild im Programm, bietet aber die Gelegenheit, auch mal geistig bei den Gebieten vorbeizuschauen, die eigentlich die Kollegen vom Schreibtisch nebenan beackern.

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Dadurch herrscht bei der GOTO eine gewisse Entdeckeratmosphäre vor. Das Publikum ist bunt gemischt und bietet eine lockeres Beisammensein, das gut zur Community passt und sichtlich Spaß macht. Teilnehmer hüpfen wild durch die vier verschiedenen Tracks und finden bei den 60 Vorträgen der drei Konferenztage alles von JavaScript-Sicherheit bis hin zu Softwarearchitektur, selbstfahrende Modellautos und weichere Themen. Es ist also nicht schwer, einen spannenden Vortrag zu finden, und selbst wenn man sich treiben lässt, kann man in der Regel zumindest Kleinigkeiten an Wissen mitnehmen.

Hierin steckt eines der Hauptargumente für einen Besuch der GOTO: Selbst wenn die Konferenz nicht den für die eigene Arbeit relevanten Praxisbezug bietet, ist die Vortragsqualität durch die Bank ausgezeichnet. Das eigentliche Thema ist dabei sekundär. Die Veranstalter selbst gliedern sie in generische Kategorien wie "Starting the Journey", "The Human Factor", "Ethics & Security" oder "Developer Productivity". Die GOTO schafft es jedoch, alles was Rang und Namen in der Szene hat, für die Konferenz zu begeistern. Kein Wunder: Mit 135.000 Abonnenten auf YouTube kann sich die mediale Reichweite eines GOTO-Vortrags sehen lassen.

Sam Newman schildert mögliche Probleme bei Microervices-Architekturen

Auf der Bühne der GOTO Berlin konnten Zuschauer dieses Jahr zum Beispiel den bekannten Autoren Sam Newman (Themenfeld: Microservices) und Woody Zuill (Mob Programming) lauschen, aber auch dem Docker-Captain Bret Fisher, dem Erfinder von OpenFaaS Alex Ellis oder der Cybersecurity-Expertin Zoë Rose. Aus jedem der Vorträge kann man durch die Qualität der Vortragenden zumindest eine kleine Anekdote oder Weisheit mit nach Hause nehmen.

Die GOTO ist darauf bedacht, der internationalen Entwickler-Community ein wohliges Zuhause zu bieten. Im Rahmenprogramm der Konferenz findet man also neben den üblichen Sponsorenständen leckeres Essen, guten Kaffee und ausgefallene Getränke sowie einige Spielereien wie Tischtennisplatten und Kicker-Tische. Das passt zum einen zu Berlin, macht etwaiges Networking mit anderen Teilnehmern aber auch einfacher. Es gibt außerdem einen Ruheraum zum stillen Verweilen und ein Mittagessen speziell für weibliche und nichtbinäre Teilnehmer*innen.

Ein Baum für jeden Teilnehmer der GOTO Berlin 2019

Im Zeichen der Zeit bemüht sich die GOTO außerdem, den eigenen Einfluss auf das Klima so gering wie möglich zu halten. Das übliche Konferenzzubehör wie T-Shirts und Taschen ist optional, auf gedrucktes Material wird gänzlich zugunsten digitaler Programme verzichtet. Darüber hinaus pflanzt die GOTO für jeden Teilnehmer einen Baum, als symbolischen Ausgleich für die dennoch entstehenden Klimaauswirkungen einer Konferenz. Eine Geste, die das anwesende Publikum mit ähnlich viel Applaus quittiert wie die Vorträge der Star-Sprecher.