Warnung vor "zentraler Massenspeicherung" sensibler Gesundheitsdaten

Bürgerrechtler schlagen in einem Brandbrief an den Bundestag Alarm, dass die geplante zentrale Datei zur medizinischen Versorgung die Privatsphäre aushöhle.

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Digitale Versorgung: Warnung vor "zentraler Massenspeicherung" sensibler Gesundheitsdaten

(Bild: Shutterstock/BlurryMe)

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Die Vereine Digitale Gesellschaft sowie Patientenrechte und Datenschutz appellieren in einem am Freitag herausgegebenen Offenen Brief an alle Bundestagsabgeordneten, dem umstrittenen Regierungsentwurf für ein "Digitale-Versorgung-Gesetz" (DVG) nicht zuzustimmen. Die Initiative "ebne der zentralen Massenspeicherung von sensiblen Gesundheitsdaten den Weg", warnen die Bürgerrechtler. Dabei sei die Sicherheit "weder technisch noch organisatorisch zu gewährleisten", wie ständig Nachrichten über Datenlecks und Forschungen zur Re-Identifizierung von Betroffenen in Datensätzen zeigten.

Routinedaten der Krankenkassen werden zwar bereits seit 2014 über ein "Informationssystem Versorgungsdaten" auf Basis des Sozialgesetzbuchs aufbereitet. Mit dem Entwurf aus dem Haus von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sollen nun aber in einem Forschungsdatenzentrum der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Gesundheitsinformationen über alle Versicherten gespeichert, ausgewertet und zahlreichen Nutzungsberechtigten zur Verfügung gestellt werden. Industrievertreter drängen hier sogar noch darauf, den Kreis der Zugriffsprivilegierten auszuweiten.

Die Daten sollen laut dem Regierungsvorhaben im Forschungszentrum nur pseudonymisiert gespeichert werden, monieren die beiden Vereine dagegen. Eine solche zentrale Datei eröffne "der Überwachung, der Kontrolle und der Sortierung von Menschen sowie der Diskriminierung bestimmter Risikogruppen Tür und Tor". Der politische und wirtschaftliche Missbrauch solcher Daten müsse immer befürchtet und mitbedacht werden.

Andere Experten hatten sich bei einer Anhörung verwundert gezeigt, dass die Messwerte an die Sammelstelle bei der GKV komplett identifizierbar geliefert werden sollen. Sie forderten, Berechnungen zu Forschungszwecken "lediglich auf verschlüsselten Daten" durchführen zu lassen.

Die Bürgerrechtler fordern in dem Schreiben, "das Konzept der Digitalisierung im Gesundheitswesen insgesamt zu überarbeiten". Gesundheitsdaten müssten "grundsätzlich dezentral und nach Zwecken getrennt verarbeitet werden". Sie dürften nicht durch die Hintertür ohne das informierte Plazet der Betroffenen gesammelt werden, indem Krankenkassen etwa ihnen für die Abrechnung vorliegende Informationen für andere Ziele als die vorgesehenen verwendeten. Grundvoraussetzung dafür, einschlägige Daten weiterzugeben und aufzubewahren, müsse ferner "eine funktionierende Telematik-Infrastruktur sein, die nicht aus Bequemlichkeitsgründen Sicherheits- und Datenschutzlücken akzeptiert".

Die Volksvertreter sollen am Donnerstag über den Entwurf und einen möglichen Änderungsantrag aus dem Gesundheitsausschuss abstimmen. Im Kern geht es dabei auch um das nicht minder umstrittene Vorhaben, neue digitale Angebote wie Gesundheits-Apps auf Rezept im großen Stil für Patienten verfügbar zu machen, sowie mehr Videosprechstunden einzuführen.

Auch der Bundesrat hatte sich jüngst in seiner Stellungnahme besorgt gezeigt, dass "die personenbezogene Zusammenführung und Auswertung" es den Krankenkassen ermögliche, "in großem Umfang individuelle Gesundheitsprofile ihrer Versicherten zu erstellen". Dies berge "erhebliche Risiken" für deren Persönlichkeitsrechte. Die Bundesregierung hat die Stellungnahme der Länder aber in weiten Teilen zurückgewiesen. Zustimmungspflichtig ist der Bundesrat nicht, er könnte das Verfahren jedoch noch verzögern.

(bme)