Quantencomputer: Der Wellenbrecher

Ein Quantencomputer hat den schnellsten Supercomputer der Welt um Längen geschlagen. Der Durchbruch läutet eine neue Ära ein.

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Sundar Pichai von Google

CEO Sundar Pichai neben dem Google-Quantencomputer: Der eigentliche Quantenchip ist nur ein kleiner Teil des gesamten Aufbaus, der hauptsächlich aus Kühlung und Kontrollelektronik besteht.

(Bild: Google)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Wolfgang Richter

Jetzt ist sie also da, die Überlegenheit der Quanten. Zum allerersten Mal hat ein Quantencomputer schneller gerechnet als der beste Supercomputer der Welt. Bei den Physikern hat sich dafür der Ausdruck "Quantum Supremacy" etabliert, ein Meilenstein, von dem sie schon lange träumen. Geschafft hat das ein Quantenchip von Google, den die Firma "Sycamore" getauft hat, und der gegen den Supercomputer Summit von IBM im staatlichen Oak Ridge National Laboratory in den USA angetreten ist. Seit Juni 2018 steht dieser an Platz eins der Weltrangliste der schnellsten Superrechner. Bekannt wurde das Ereignis bereits im September, als ein Entwurf der Veröffentlichung auf eine Webseite der Nasa gestellt wurde. Aber weil er nur wenige Tage später wieder verschwand, fragten sich viele: War es nur ein genialer PR-Coup? Dann aber veröffentlichte Google die Studie Mitte Oktober im renommierten Journal "Nature", und spätestens seitdem ist klar: Es ist mehr. Viel mehr. Gut begründet zeigt sie, wie Googles Quantencomputer genau drei Minuten und 20 Sekunden zur Bewältigung der ihm gestellten Aufgabe brauchte, an der Summit noch in 10.000 Jahren herumknobeln würde.

Selbst bei nüchternen Forschern hat die Errungenschaft für ziemlich viel Aufregung gesorgt. "Das ist das Beste, was bisher zum Thema veröffentlicht wurde", sagt etwa Andreas Wallraff von der ETH Zürich, der wie Google an Quantencomputern auf Basis von integrierten Schaltungen arbeitet. IBM, einer der großen Konkurrenten von Google auf dem Gebiet, ist damit gleich doppelt düpiert: Gerade Anfang des Jahres brachte das Unternehmen den nach eigener Aussage "ersten kommerziellen Quantencomputer" heraus. Eine an drei Seiten verglaste Kiste, in der nur ein szenisch ausgeleuchteter Metallzylinder zu sehen ist; an der tiefschwarzen Rückseite blinken die bunten Lämpchen der Steuerungselektronik. Nun kann Google seiner Apparatur, die immer noch ein unspektakulärer Laboraufbau ist, das Siegel "Quantum Supremacy" aufdrücken. Und dann war ihm ausgerechnet noch ein IBM-Supercomputer unterlegen.

IBM-Forschungschef Dario Gil bemühte sich denn auch gleich nach Bekanntwerden, den Erfolg von Google herunterzuspielen. Das Gerät sei nur eine Spezialanfertigung, behauptete er in der "Financial Times". Extra für den Supremacy-Test ersonnen, keinesfalls ein vollwertiger Quantencomputer. Inzwischen hat IBM sogar Vorschläge vorgelegt, wie ihr Supercomputer im Wettstreit besser hätte abschneiden können. Etwa dadurch, Zwischenergebnisse auf Festplatten und nicht im Arbeitsspeicher abzulegen. Ob diese Vorschläge wirklich zu einer Verbesserung führen würden, war aber bis Redaktionsschluss noch völlig offen. Zudem – und da stimmt die Aussage von ­Dario Gil einfach nicht – ist der Sycamore-Chip allemal ein universeller Quantencomputer.

Um sein Potenzial zu verstehen, muss man das Konzept der Wahrscheinlichkeitswellen erklären. Auf ihm beruhen alle Quantenrechner. Das gelingt am besten mit einem Experiment, das 2002 in einer Umfrage des britischen Institute of Physics zum "schönsten Experiment aller Zeiten" gewählt wurde.

(wst)