Entwicklungshilfe auf den Kopf gestellt

Arme Länder sind arm, weil ihr Staat nicht funktioniert? Falsch, meint Clayton Christensen und liefert eine andere Erklärung – die gleichzeitig ermutigend und ernüchternd ist.

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Von
  • Robert Thielicke

Jahrzehntelange Entwicklungshilfe hat nahezu nichts an der weltweiten wirtschaftlichen Ungleichheit geändert. Hat sie also einen grundsätzlichen Webfehler? Clayton Christensen glaubt: ja. In seinem Buch „Das Wohlstands-Paradox“ beklagen er und seine Co-Autoren den Glauben, wachsender Wohlstand lasse sich von außen injizieren wie ein Medikament. Stattdessen müsse die Kraft dazu von innen kommen, von den Menschen, die in diesem Land leben.

Christensen glaubt fest daran, dass diese Menschen existieren. Er ist Professor an der Harvard Business School und bekannt geworden durch sein Buch „The Innovators Dilemma“. Darin beschreibt er, wie etablierte Firmen untergehen, weil sie nicht den Mut oder das Vermögen haben, sich selbst grundlegend zu verändern. Berühmtes Beispiel ist Kodak.

Innovationen treiben für Christensen die Wirtschaft an, aber er bleibt nicht bei diesem Allgemeinplatz stehen, sondern geht einen Schritt weiter: Nur Innovationen können einen Markt erschaffen, sie sind der Zündfunke, alles andere folgt danach, von der Rechts­sicherheit bis zur Korruptionsbekämpfung. Während vielen ein entwickelter Staatsapparat als Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung gilt, glaubt Christensen, damit spanne man das Pferd hinter den Karren, und so „bewegen sich weder Pferd noch Karren“. Als Beleg dienen ihm so unterschied­liche Länder wie die USA Mitte des 19. Jahrhunderts oder Südkorea in den 1970er-Jahren. Beide waren arm, ­rückständig, korrupt. Aber sie hatten Menschen, die Marktlücken sahen und füllten. In den USA war es etwa Fords Model T oder die Singer-Nähmaschine.

Solche Ideen sieht er auch in vielen derzeit armen Ländern. In Nigeria etwa entstand ein ganzes Industrie-Imperium aus der Vermarktung von Instant-Nudeln, obwohl die Nigerianer zuvor kaum Nudeln gegessen haben. Und Mo Ibrahim baute mit Celtel einen Telekommunikationskonzern für Afrika auf, obwohl alle Analysten glaubten, dass niemand in dieser Region Geld für Mobilfunkverträge ausgeben werde.

Dabei ist seine Deutung ebenso ernüchternd wie ermutigend. Ermutigend, denn solange es genug Menschen mit guten Ideen gibt, gibt es Hoffnung auf die Entwicklung ärmster Länder. Ernüchternd, weil Christensen kaum Möglichkeiten sieht, diese Entwicklung von außen anzustoßen, weder durch einen Umbau des Staatsapparats noch durch Milliarden an Entwicklungshilfe. Über „neue Ansätze zur globalen Armutsbekämpfung“, wie es auf dem ­Cover heißt, schweigt sich der Autor leider aus.

Clayton M. Christensen, Efosa ­Ojomo, Karen Dillon: Das Wohlstands-Paradox
Plassen Verlag, 400 Seiten, 24,99 Euro (E-Book: 21,99 Euro)

(bsc)