Agritechnica 2019: Precision Farming dank KI und Vernetzung

Die Landwirtschaft entdeckt die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz und der Cloud für sich. 5G macht sich auf der Leitmesse hingegen rar.

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Agritechnica 2019: Precision Farming dank KI und Vernetzung

(Bild: heise online / Patrick Bellmer)

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Daten erfassen Landwirte schon seit geraumer Zeit, um die Qualität von Böden und Ernte oder den Zustand von Traktoren und anderen Maschinen zu überwachen. Auf der Agritechnica 2019 zeigt die Branche, wie sich die Daten noch zielgerichteter auf dem Feld nutzen lassen – Stichwort Precision Farming. Möglich wird das durch die Vernetzung von Fahrzeugen, den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Telemetrie. Ausgerechnet eine oft im Zusammenhang mit der Landwirtschaft genannte Technik spielt jedoch nur eine kleine Nebenrolle.

Künstliche Intelligenz nutzen die Hersteller in unterschiedlichen Abstufungen. In der fortgeschrittensten Form analysieren verschiedene Sensoren die Pflanzen, erkennen dabei Schäden sowie Schädlinge und übertragen die Daten an die Server des gewählten Dienstes. Das Potential derartiger Dienste haben inzwischen mehrere Unternehmen erkannt, darunter auch Branchengrößen wie John Deere oder BASF. Unter der Marke Xarvio bietet der Konzern den Field Manager an, der die Daten analysiert und konkrete Vorschläge unterbreitet, beispielsweise welcher Pflanzenschutz wo helfen kann.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt John Deere mit dem HarvestLab 3000. Das mobile Labor analysiert Stoffe per Infrarotspektroskopie und lässt sich vielfältig einsetzen. Es erkennt nicht nur den Ertrag pro Fläche und die Qualität schon während der Ernte, sondern kann auch bei der präzisen Verteilung von Nährstoffen helfen. Als Beispiel nennt das Unternehmen den Einsatz von Gülle als Dünger. Üblicherweise prüfen Landwirte den Stickstoffgehalt und die weitere Zusammensetzung nur stichprobenartig im Lager. Allerdings kann der Gehalt selbst innerhalb eines Fasses deutliche Schwankungen aufweisen, was zu verschiedenen Problemen führen kann.

Das HarvestLab 3000 von John Deere zeigt, wie Daten direkt nach der Ernte oder vor dem Ausbringen von Dünger nutzen lassen.

(Bild: heise online / Patrick Bellmer)

Eines ist Überdüngung: Als Maßstab wird ein geringer Gehalt genommen, die Gülle entsprechend auf dem Feld verteilt – mit den bekannten Folgen für das Grundwasser. HarvestLab 3000 misst die Zusammensetzung hingegen unmittelbar vor dem Versprühen und greift auf Wunsch automatisch ein: Bei gemessenem hohem Gehalt wird die Geschwindigkeit des Traktors erhöht, bei geringem verringert.

Möglich wird das durch die Vernetzung, die weiter vorangetrieben wird und bei der man sich langsam öffnet. So nutzen inzwischen weit mehr als 100 Unternehmen die John-Deere-Cloud dank einer entsprechenden API. Offen zeigt man sich aber auch bei der Berücksichtigung von Fahrzeugen anderer Hersteller – selbst mit Cloud-Lösungen von Mitbewerbern können Daten ausgetauscht werden.

Die Vernetzung auf dem Feld mündet in großen Displays. Hier laufen alle relevanten Daten zusammen, die Steuerung erfolgt in vielen Fällen Smartphone-typisch per Wischgeste.

(Bild: heise online / Patrick Bellmer)

Der Landwirt bekommt all das auf dem Feld möglicherweise in sehr moderner Form präsentiert. Die Traktoren der neuen Generation verfügen über große Displays, die alle relevanten Informationen übersichtlich sortiert präsentieren. Per Wischgeste wird zwischen verschiedenen Werkzeugen gewechselt oder der aktuelle Messwert zahlreicher Sensoren eingeblendet.

Auf dem Feld wird die Vernetzung darüber hinaus vor allem bei der Positionsbestimmung sichtbar. Dank GPS wird der Traktor bis auf wenige Zentimeter genau über das Feld geführt und kann Pflanzenschutzmittel und Dünger entsprechend der aus der Cloud erhaltenen Daten punktuell ausbringen. Die Ortsbestimmung kann dabei sehr komplexe Formen annehmen. Neben fortschrittlichen, auf dem Fahrzeug angebrachten Antennen können Landwirte auch auf stationäre GPS-Empfänger zurückgreifen, die Korrekturen berechnen und per Mobilfunk an die Fahrzeuge weiterleiten.

Die dabei anfallende Datenmenge ist so gering, dass 2G-Netze ausreichen, so der US-Hersteller New Holland. Erst wenn es um die Übertragung anderer Messdaten, beispielsweise aus der Cloud, geht, sind höhere Bandbreiten erforderlich. Die Notwendigkeit von 5G sieht man derzeit jedoch noch nicht.

Um was für Daten es sich dabei handeln kann, zeigt Xarvio. Zusammen mit Bosch hat man ein System entwickelt, das bei der präzisen Ausbringung von Saatgut hilft. Die Daten liefert ebenfalls die Field Manager genannte Cloud-Lösung.

Xarvios Field Manager berechnet die optimale Saatgutverteilung und leitet die Daten an die von Bosch entwickelte Hardware weiter.

(Bild: heise online / Patrick Bellmer)

Gibt es jedoch keinerlei schnelles Mobilfunknetz, kann der Landwirt selbst aktiv werden. Wie das aussehen kann, zeigt John Deere. Per mobiler 5G-Station lassen sich eigene Netze spannen, der Anschluss ans Netz erfolgt per Satellit. Für Deutschland sei das aber noch kein Thema, so das Unternehmen. Zwar ist der Aufbau derartiger private 5G-Netze möglich, die Hürden in Bezug auf Kosten und Genehmigung sind aber hoch.

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