Der Gattaca-Babytest ist da

Ein neuer DNA-Test soll werdenden Eltern erlauben, bei künstlichen Befruchtungen Embryonen mit hohem Krankheitsrisiko oder geringer Intelligenz auszusortieren.

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Der Gattaca-Babytest ist da

(Bild: Ms. Tech)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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Viele besorgte US-Paare fragen ihre Fruchtbarkeitsärzte derzeit nach einem heiß diskutierten neuen Gentest, der den Untertitel „23andMe, aber für Embryonen“ trägt. Der vom US-Startup Genomic Prediction angebotene Babyauswahl-Test „LifeView“ soll bei künstlichen Befruchtungen (In-vitro-Fertilisation, kurz IVF) die DNA der erzeugten Embryonen darauf untersuchen, ob sie an einer von elf häufigen Krankheiten leiden. Auf diese Weise sollen Eltern die gesündesten Embryos auswählen können.

Der Test liefert Risikoeinschätzungen unter anderem für Diabetes, Herzinfarkt und fünf Krebsarten. Laut Werbe-Flyern des Unternehmens werden Eltern auch gewarnt, wenn Embryonen voraussichtlich zu den zwei Prozent der Bevölkerung mit der geringsten Körpergröße oder zu den zwei Prozent mit der niedrigsten Intelligenz gehören würden.

Der Test scheint direkt dem Science-Fiction-Film „Gattaca“ entsprungen zu sein. Tatsächlich diente der Film mit Ethan Hawke in der Hauptrolle als Inspirationen für Laurent Tellier, dem Geschäftsführer von Genomic Prediction. Er hat das Unternehmen gemeinsam mit dem Testexperten Nathan Treff und dem Physiker Stephen Hsu, Vizepräsident für Forschung und Graduiertenstudien an der Michigan State University, gegründet.

Noch gibt es kaum Erfahrungen mit dem Test, der erst bei wenige Embryonen zum Einsatz kam. Geschäftsführer Tellier ist sich nicht sicher, ob bereits welche zur Einleitung einer Schwangerschaft eingesetzt wurden. Bei dem Test werden zuerst ein Tag alten IVF-Embryos einige Zellen entnommen. Dann untersucht Genomic Prediction ihre DNA an mehreren hunderttausend genetischen Positionen. Diese lieferten einen sogenannten „polygenen Risikowert“, das heißt eine statistische Schätzung darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit Krankheiten im späteren Leben auftreten werden.

Bisher sind nur wenige Fruchtbarkeitszentren auf den neuen und noch weitgehend unerprobten Test angesprungen. Angehende Eltern erfahren meist durch Mundpropaganda oder Nachrichtenartikel von den Designer-Baby-Berichten und zeigen den Flyer des Unternehmens ihren Ärzten.

Auch David Keefe, Vorsitzender für Geburtshilfe und Gynäkologie am Fruchtbarkeitszentrums der New York University in Manhattan, hatte bereits entsprechenden Besuch. „Es wirft auf Anhieb alle möglichen Fragen zur Eugenik auf“, sagt der Mediziner. Als Vater von sieben Kindern befürchtet er, dass wenn Paare glauben, sie könnten Kinder wie aus einem Menü auswählen, enttäuscht werden könnten. „Es gibt so viele Paare, die das Gefühl brauchen, wirklich genug getan zu haben."

Genomic Prediction hat Risikokapital in Höhe von mehreren Millionen Dollar von Investoren wie People Fund, Arab Angel, Passport Capital und Sam Altman, dem Vorsitzenden von Y Combinator und Geschäftsführer von OpenAI, eingeworben. Bei einer Investorenveranstaltung im April verglich sich prahlte das Unternehmen damit, sich auf einen „massiven Marketingschub“ vorzubereiten.

In den nächsten Wochen sollen erste Fallstudien veröffentlicht werden. Eine beschreibt zum Beispiel ein verheiratetes schwules Paar, das gespendete Eizellen künstlich befruchten ließ und für die Austragung eine Leihmutter bezahlen will. Die Partner möchten ein Kind mit einem geringen Brustkrebs-Risiko.

Genomic Prediction zufolge planen zwölf Fertilitätskliniken, den Test zu nutzen. Darunter sind fünf in den USA und weitere in Nigeria, Peru, Thailand und Taiwan.

Auch Michael Alpers „Boston IVF“, eine der größten Fruchtbarkeitszentren der Welt, wurde vor ein paar Wochen darauf angesprochen. Doch der Geschäftsführer entschied, dass die Anfrage von der Ethikkommission des Zentrums abgewogen werden müsse, bevor er einer Bestellung zustimmen würde. „Das ist unser erster Fall“, sagt Alper. „Für mich ist es eine Vorhersage von der Art, wie sie 23andMe liefert:

Es gibt eine Neigung – aber wie stark ist sie? Das ist die Krux. Wir haben kein Problem damit, auf Mukoviszidose zu testen, also auf eine tödliche Krankheit, die in jungen Jahren auftritt. Aber mit diesen anderen Tests sind wir noch nicht soweit. Sie sind nicht so aussagekräftig."

(vsz)