Urbane Unlogik

In "Soft City" beschreibt David Sim völlig nachvollziehbare Grundprinzipien einer lebenswerten Stadt – und zeigt gleichzeitig, wie schwer es Logik auf diesem Feld hat.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Urbane Unlogik

(Bild: Island Press)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Robert Thielicke

Die Städte ersticken im Verkehr sowie in schlechter Luft – und plötzlich taucht wieder ein Begriff auf, der eigentlich schon tot war: die Smart City. Neue Technologien, vorzugsweise digital, sollen lösen, was auf anderen Wegen nicht zu beheben war. Sie sollen die Menschen weg vom Auto bringen und hin zu Sharing-­Diensten, oder wenigstens weg von der Parkplatzsuche und hin zu einem Parkplatz, am besten auch noch weg vom Online-Handel und wieder zurück in die Einkaufsstraßen. Aber wieder – wie schon in der ersten Welle der Smart City – könnte der Ansatz vor allem die Bedürfnisse der Anbieter lösen als die der Bewohner.

In seinem Buch "Soft City" zeigt David Sim, wie es anders geht. Sim ist Partner und Kreativ-Direktor bei Gehl Architects, einem Stadtplanungsbüro in Kopenhagen. Den meisten dürfte es unbekannt sein – und doch hat es die heutige Auffassung davon, was eine Stadt lebenswert macht, mehr geprägt als jedes andere. Gegründet von Jan Gehl, machte es aus Kopenhagen ein weltweites Vorbild für eine fahrradfreundliche Stadt oder verwandelte in Manhattan 400000 Quadratmeter Verkehrsfläche in öffentliche Plätze für Fußgänger und Müßiggänger. Sim nun stellt die Grundüberlegungen dazu in kurzen Texten und anschaulichen Grafiken dar, ist also weit davon entfernt, ein trockenes Lehrbuch für Stadtplaner zu liefern.

Wer es liest, geht am Ende mit anderen Augen durch die Stadt. Sim legt dar, warum es keine technologische Frage ist, wie sich Menschen in einer Stadt bewegen, sondern eine psychologische. "Das meiste, was man wissen muss, um Dinge zu gestalten, lernt man beim Beobachten der Menschen und ihrer Umgebung, wenn man sich anschaut, was funktioniert und was nicht", schreibt er.

Sims Schlüssel zu einer lebenswerten Stadt sind Dezentralisierung und Verdichtung. Gerade Letzteres war immer negativ besetzt, im Zweifel als Betonwüste. So entstanden hohe Apartmenthäuser inmitten großer Grünflächen. Aber was bringen Parks, wenn die Menschen dafür im 20. Stock wohnen und sowieso nicht hinuntergehen? Ähnlich lebensfern ist für Sim die Zentralisierung. Was bringen nette Cafés im Zentrum, wenn die Leute auf dem Weg dahin die Straßen verstopfen?

Statt also Bewohner per Carsharing und E-Scooter ans andere Ende der Stadt zu bugsieren, wäre es besser, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten in den Vierteln zu schaffen. Klar, möchte man ­sagen, völlig logisch. Aber augenschein­lich nicht für jeden, wenn man sich so manche stadtplanerische Entscheidung in deutschen Städten anschaut. So ist zu hoffen, dass sich bald ein Verlag findet, der das Buch in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Momentan ist es leider nur auf Englisch verfügbar.

Buch: "Soft City – Building Density for Everyday Life", 256 Seiten
Autor: David Sim
Verlag: Island Press
Preis: 35 Dollar (auch als E-Book), auf Englisch

(rot)