Die neuen Schlafmittel

Eine zunehmende Zahl an Gadgets soll gegen Schlaflosigkeit helfen. Unsere Autorin hat sie mit ins Bett genommen, um ihre eigene Insomnie zu überwinden.

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Die neuen Schlafmittel

(Bild: Somnox)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Charlotte Jee
Inhaltsverzeichnis

Mit 18 habe ich aufgehört zu schlafen. Ich zog vom Dorf ins laute London und war gestresst. In der schlimmsten Phase habe ich gefühlt zwei Wochen lang überhaupt keinen Schlaf gefunden. Heute schlafe ich in der Regel zwar besser, aber ab und zu quälen mich immer noch Schlafstörungen. Nach einer besonders üblen Schlaflosphase entscheide ich mich, ein paar der neuen Schlaf-Gadgets auszuprobieren.

Bis heute wissen wir erstaunlich wenig über den Schlaf. "Wir haben beispielsweise keine Ahnung, warum einige Menschen gut und andere schlecht schlafen", so Jamie Zeitzer, Professor für Schlafwissenschaft und Medizin in Stanford. Allerdings ist bekannt, dass nicht nur die Dauer des Schlafs zählt, sondern auch seine Qualität: die richtige Abfolge von ­tiefen, leichten und REM-Phasen. Letzteres ist der Zustand kurz vor dem Aufwachen, der sich durch schnelle Augenbewegungen bei ­geschlossenen Lidern auszeichnet. Eine solcher Zyklus wiederholt sich alle 90 Minuten, und für eine erholsame Nacht benötigen wir ­mindestens fünf davon.

Ich habe meine Schlafdauer bisher nie systematisch erfasst, sondern nur grob im Kopf überschlagen. Also ist ­es naheliegend, meine Tests mit ­einem Schlaftracker zu beginnen.

Einer der am besten verkauften Tracker ist eine Sensormatte der ­Firma Withings. Sie wird unter die Matratze gelegt und erfasst mit Drucksensoren meine Bewegungen, ein Mikrofon nimmt auf Wunsch auch das Schnarchen auf. Im Bewusstsein, dass mein Schlaf nun ­getrackt und bewertet wird, wälze ich mich unruhig hin und her. Umsonst: Die ­Daten sind unbrauchbar, weil die Matte sowohl mich als auch meinen Mann trackt.

Ich brauchte also etwas, das nur mich erfasst. Vielleicht ist der Oura-Ring die Lösung – ein klobiges Sensorband für den Finger. Es stellt ­Bewegungen, Körpertemperatur und Herzfrequenz grafisch in einer App dar. Angeblich soll ich rund sieben Stunden geschlafen haben, mit ein paar wachen Phasen dazwischen. Aber die Daten solcher Gadgets sind nur scheinbar ­genau, denn sie schließen aus Bewegungen des Körpers auf die Tiefe des Schlafs. Um wirklich etwas über die Schlafphasen aussagen zu können, müssten sie die Hirnaktivität überwachen, meint die Psychologin Elizabeth Woodward.

Das verspricht ein Stirnband mit fünf Elektroden namens Dreem. Woodward hält es für brauchbar. ­Leider sieht es albern aus und ist unbequem – nichts, was ich länger nutzen wollte. Außerdem weiß ich nicht genau, was ich mit den Informationen über meine Schlafphasen überhaupt anfangen soll. Das Stirnband mag für einige Menschen nützlich sein, etwa für professionelle Diagnosen außerhalb des Schlaflabors. Aber nicht für mich.

Überhaupt führen diese ganzen ­Tracker dazu, den Schlaf als etwas zu betrachten, das repariert werden kann, oder als Spiel, bei dem es viele Punkte zu gewinnen gibt. Diese Fixierung auf Zahlen ist für Schlaflose wie mich eher kontraproduktiv. Also versuche ich es mit einem Gadget zur aktiven Entspannung: dem 599 Dollar teuren, ­nierenförmigen Roboter Somnox. Ich soll mich an ihn kuscheln, während er sanft "atmet" und mich dadurch in den Schlaf lullt. Bei einigen Menschen mag das funktionieren, bei mir nicht. Ich fand ihn wenig anschmiegsam und das Synchronatmen unnatürlich.

Zahlreiche Studien (allerdings mit geringer Teilnehmerzahl) empfehlen Lichttherapie. Viele Profisportler etwa schwören auf den Lumie-Wecker. Eine halbe Stunde vor der Weckzeit hellt er den Raum langsam auf, um einen Sonnenaufgang zu simulieren. Ich mochte den Wecker, er machte das Aufwachen nicht so zu einem Schockerlebnis. Regelmäßige Aufstehzeiten sollen gegen Insomnie helfen, also werde ich Lumie behalten. Auch wenn er mich nicht beim Einschlafen unterstützt, sondern nur die Folgen der Schlaflosigkeit ­mildert.

Bis hierhin haben die meisten Gadgets meinen Schlaf eher verschlechtert. Kurz bevor ich zu Medikamenten ­greifen will, empfiehlt mir ein Freund "Kognitive Verhaltenstherapie" (CBT). Sie hat ihre Wirksamkeit seit 25 Jahren immer wieder in kontrollierten Studien nachgewiesen.

Statt teurer Therapeuten kann ich für CBT eine wachsende Zahl von Apps nutzen – etwa Somryst, CBT-i Coach oder Sleepio. Bei letzterer führt mich ein Avatar mit schottischem ­Akzent durch sechs wöchentliche ­Sitzungen. Seine professorale und ­beruhigende Sprechweise gibt mir das Gefühl, in sicheren Händen zu sein. Im Wesentlichen kombiniert die App Fragebögen, Beratungen, Feedback und Selbstreflexion.

Tatsächlich half Sleepio, meine ­negative Gedankenspirale zu stoppen. Schon nach wenigen Sitzungen schlief ich besser. Inzwischen weiß ich nicht einmal mehr, wie viele Stunden ich tatsächlich schlafe. "Schlaf ist wie eine Katze", meint die britische Neurologin Kristie Anderson. "Er kommt nur zu dir, wenn du ihn ignorierst." Das macht all die Tracking-Gadgets wohl überflüssig.

Produkte: Somnox / Oura-Ring / Dreem
Anbieter: Somnox / Oura / Dreem
Preise: 600 Euro / 314 Euro / 400 Euro

(bsc)