British Essentials

Basics zur britischen Autogeschichte vor 1914

Die britische Automobilgeschichte droht im Brexit unterzugehen. Ihre über 100-jährige Geschichte ist jedoch eindrucksvoll. Der erste Teil berichtet von den Anfängen vor dem Ersten Weltkrieg, in denen der Grundstein vieler bekannter Marken gelegt wurde

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lanchester von 1912 10 Bilder
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Großbritannien steht mit dem beschlossenen Brexit 2020 vor gravierenden Veränderungen. Das wird fraglos auch weitreichende Auswirkungen auf die traditionsreiche, britische Automobilindustrie haben. Wir widmen uns dieser in mehreren Teilen.

Großbritanniens Autoindustrie stirbt - Der englische Patient

Britische Autogeschichte: Zwischen den Kriegen

Die britischen Autogeschichte: Von 1945 bis heute

Die britische Automobilindustrie wurde zum Großteil in Birmingham und Coventry geboren. Sie entstand kurz vor der Jahrhundertwende in den 1890er-Jahren gleichzeitig in diversen Werkstätten. Frederick W. Lanchester baute in Birmingham 1895 das erste durch und durch britische Automobil. Er legte damit den Grundstein für die bis in die 1930er-Jahre renommierte Marke Lanchester.

Der britische Daimler

Bereits 1891 war es einem anderen Frederick, Frederick R. Simms, gelungen sich die Rechte für den Daimler-Verbrennungsmotor in Großbritannien und weiten Teilen des Commonwealth zu sichern. Simms hatte die Konstruktion von Johann Gottlieb Daimler, mit dem er persönlich befreundet war, völlig überzeugt. Er investierte in großem Stil in die Daimler Motorengesellschaft in Cannstatt. Dort saß er mit Johann Gottlieb Daimler selbst in deren Vorstand. 1896 gründete Simms im 40 km von Birmingham entfernten Coventry die Daimler Motor Company. Sie war die erste britische Automobilfirma in deren Fokus zunächst Lastwagen standen.

Frederick Lanchester aus Birmingham war an der Daimler Motor Company übrigens beteiligt und für die Konstruktion der frühen Automobile verantwortlich. Als Lanchester 1899 zusammen mit seinen Brüdern eine eigene Automarke, die Lanchester Engine Limited gründete, berührte das die enge Zusammenarbeit zwischen Lanchester und Daimler nicht. Schon im Embryonalstadium der neuen Industrie zeigte sich allerdings schon eine Krankheit, die gut 110 Jahre später ihre Todesursache sein sollte. Ständiger Geldmangel und mehrere Konkurse führten dazu, dass 1905 bereits die dritte Daimler-Gründung und die zweite Lanchester-Gründung erfolgt waren, nachdem die Vorgängerunternehmen vom Pleitegeier weggerafft worden waren.

Chronische Unwirtschaftlichkeit

Der chronische Geldmangel lag nicht zuletzt daran, dass die Fahrzeuge der Marken Daimler und Lanchester ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Erwägungen konstruiert und verarbeitet wurden, was ihnen zwar ein hohes Prestige, aber kaum finanziellen Erfolg einbrachte. Auch diese Herangehensweise sollte prägend für die englische Automobilindustrie werden. Bis zum Schluss litt sie daran. Die Daimler-Motoren waren ab 1908 auch außerhalb Englands für ihren für die damaligen Zeiten flüsterleisen Lauf bekannt. Er war Folge der innovativen Schiebersteuerung.

Der aus den USA stammende Daimler-Chefkonstrukteur Percy Martin übernahm diese Erfindung seines Landsmanns Charles Yale Knight. Den ruhigen Lauf, einen guten Drehmomentverlauf und schließlich die Sicherheit vor abgerissenen Ventilen ermöglichte eine Gaswechselsteuerung über bewegliche Zylinderbuchsen, die wechselweise die Ein- und Auslassöffnungen freigaben.

1910 erwies sich Daimler ein weiteres Mal als finanziell nicht überlebensfähig und wurde vom ehemaligen Waffenkonzern Birmingham Small Arms (BSA) übernommen, der seit 1907 ebenfalls in Birmingham erfolgreich Automobile produzierte. Berühmt geworden ist BSA aber hauptsächlich durch seine Einzylinder-Motorräder aus den 1930er-Jahren, die wegen ihrer Zuverlässigkeit weltweit geschätzt wurden.

Die Marke Wolseley

Zur gleichen Zeit als F.W. Lanchester an seinem ersten Auto schraubte, gründete 1895 einen Steinwurf entfernt in Birmingham die Wolseley Sheep Shearing Company eine Tochterfirma zur Produktion von Dreiradfahrzeugen. Als Chef der Wolseley Motor Company wurde ein gewisser Herbert Austin verpflichtet, der ab 1905 mit seiner eigenen Marke zu einem der größten Player in der britischen Automobilindustrie werden sollte. Nachdem Austin sich selbständig gemacht hatte, wurden die Wolseley-Automobile bis 1910 in Anerkennung des Chefkonstrukteurs John Davenport Siddeley unter dem Namen Wolseley-Siddeley vertrieben.

Sportwagen von Riley

Ebenfalls im wichtigen Jahr 1895, in dem Wolseley in die Autoproduktion einstieg, suchte Percy Riley, Juniorchef des Fahrradproduzenten Riley in Coventry, nach einem neuen Betätigungsfeld für die väterliche Firma. Er schraubte aus Fahrradteilen und einem De-Dion-Bouton-Einzylindermotor sein erstes Automobil zusammen. In den 20er- und 30er-Jahren sollte die Marke Riley für leichte Sportwagen mit ebenso zuverlässiger wie aufwendiger Technik stehen.

In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erfand Riley die Speichenfelge mit Zentralverschluss, die sich sofort bei anspruchsvollen Automobilfirmen durchsetzte. Auch Fiat, Renault und die Mercedes-Fahrzeuge vom schwäbischen Daimler standen im ersten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts auf Riley-Felgen aus Coventry.