Zahlen, bitte! Auf der Suche nach dem 8. Kontinent

Mit Zealandia verbigt sich um Neuseeland ein Kandidat für einen achten Kontinent. Aber auch in Südeuropa wird ein weiterer Kontinent vermutet.

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Zahlen, bitte!  Auf der Suche nach dem 8. Kontinent
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Inhaltsverzeichnis

In der Schule lernt man in der Regel, dass sieben Kontinente existieren: Europa, Asien, Nordamerika, Südamerika, Afrika, Australien und Antarktika. In der Wissenschaft wiederum sind es, je nach Zählweise, drei bis sieben Landmassen. Und dennoch schlummern in den Tiefen der Weltmeere Kandidaten für weitere Kontinente

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Zealandia im südwestlichen Pazifischen Ozean ist so ein Beispiel: Neuseeland und Neukaledonien sind die Spitzen, die noch über der Wasserlinie hinausragen, einer insgesamt 4,9 Millionen km² großen Landmasse, die sich zu 94 Prozent unter Wasser befindet. 1995 wurde der Begriff Zealandia durch den amerikanischen Geologen Bruce P. Luyendyk geprägt.

Zealandia (nein, nicht die weibliche Form von Zalando) im Überblick.
Neuseeland und das zu Frankreich gehörende Neukaledonien bilden die knapp 6% der Landmasse, die aus dem Ozean ragen.

Anfangs noch als Sammelbegriff für die Region, aber nicht konkret als Name eines möglichen Kontinents gedacht, wurde seitdem die Forschung dazu intensiviert; Wissenschaftler vermaßen den Meeresgrund vor Ort und sammelten fleißig Daten. 2017 stellten mehrere Geologinnen und Geologen aus Neuseeland und Australien unter der Leitung von Nick Mortimer im Wissenschaftsmagazin GSA Today der Geological Society of America ihre Erkenntnisse zu Zealandia vor.

Mehr Infos

Größe: 4.920.000 km2
Über Wasser: 286.655 km2

Ausdehnung und Lokalisation:
N-Koordinaten: 18° 30' S, 158° 40' O
O-Koordinaten: 42° 40' S, 167° 45' W
S-Koordinaten: 56° 10' S, 164° 50' O
W-Koordinaten: 23° 20' S, 155° 10' O

Bevölkerung: ca 5.095.000
davon:
Neuseeland: 4.823.000
Neukaledonien: 269.000
Norfolkinsel: 2.210
Lord Howe Inselgruppe: 382

Sie schilderten, dass Zealandia vor etwa 100 Millionen Jahren noch Bestandteil des Urkontinents Gondwana gewesen sei, sich aber vor 85 Millionen Jahren ablöste. Zealandia entfernte sich als Folge der Trennung und der tektonischen Plattenbewegung; mit der Zeit versank der Kontinent im Meer.

Dabei weisen die Daten laut den Forschern nach, dass es sich nicht, wie zunächst vermutet, um mehrere Kontinentalfragmente, sondern um ein zusammenhängendes Teil Erdkruste handelt. Anhand dieser Datenbasis forderten die Forscher die Anerkennung von Zealandia als achtem Kontinent.

Mit knapp 5 Millionen km² hat Zealandia ca. 2/3 der Fläche von Australien oder 1/6 der Fläche von Afrika. Und der Datenlage des GNS Science nach schlummern darin Bodenschätze im Wert von mehreren Milliarden Dollar. Wenn sich die Annahmen bewahrheiten sollten, dann wird früher oder später die Frage des Kontinentalstatus für die Wirtschaft interessant.

Ein anderer möglicher Kandidat für einen weiteren Kontinent ist jüngst von einem Forscherteam der Universität Utrecht entdeckt und in einer Publikation veröffentlicht worden: Greater Adria. Wie der Name bereits vermuten lässt, handelt es sich hier um eine Landmasse, die sich im zwischen Afrika und Europa befand.

Die Landmasse Greater Adria vor etwa 140 Millionen Jahren - Bevor sie mit dem Europa/Asien, bzw. dem eurasischem Kontinent zusammengestoßen ist.

(Bild: © Douwe van Hinsbergen, Universität Utrecht )

Unter der Leitung von Douwe van Hinsbergen, Professor für Globale Tektonik und Paläogeografie, erforschte ein Team über zehn Jahre lang 2300 Gesteinsproben von den Apeninen und den Alpen bis hin zu Proben aus der Türkei und dem Iran. Es ließen sich in vielen Proben Fragmente des verschwundenen Kontinents nachweisen. Die Ergebnisse visualisierten sie mit der freien Geologie-Software GPlates.

Vor etwa 240 Millionen Jahren habe sich mit Greater Adria ein Stück Landmasse der ungefähren Größe Grönlands vom afrikanischen Kontinent getrennt und sich mit der Zeit auf die europäische Kontinentalplatte zubewegt. Vor 120 Millionen Jahren sei die Landmasse mit der europäischen/asiatischen Erdplatte kollidiert und habe sich dabei unter diese geschoben. Als Folge dieses Aufeinandertreffens schoben sich die Sedimentauflagen zusammen; dadurch seien die geologisch komplexen Felsformationen entstanden.

Laut van Hinsbergen seien – neben Sedimentfragmenten in den Gebirgszügen – die letzten Reste dieser Landmasse in Italien zu finden: Von Turin, über die Adria, bis zum südlichen Ende Italiens erstrecke sich der heutige Teil von Greater Adria. Somit betreten jedes Jahr viele Italienurlauber – ohne es zu ahnen – einen weiteren, in weiten Teilen versunkenen Kontinent.

Während der eine Kontinent in Südeuropa buchstäblich abgetaucht ist, und somit eher etwas für die Geschichtsbücher taugt, bleibt die Forderung nach der Ernennung zum 8. Kontinent für Zealandia bestehen. Allerdings existiert keine offizielle Stelle oder Gremium, die Kontinente offiziell anerkennen könnten – die Wissenschaft ist sich ja noch nicht einmal über die bisherige Zählweise einig: Die Varianten reichen bislang von drei bis sieben Kontinenten. Somit ist eher Überzeugungsarbeit nötig, dem möglichen achten Kontinent Zealandia die Aufmerksamkeit zu geben, die die Entdeckung verdient. (mawi)