E-Health: Intimste-Daten-Abfluss-Gesetz

Das Gesetzespaket von Gesundheitsminister Jens Spahn enthält viele gute Elemente. Was den Umgang mit dem Paragrafen 303 SGB V allerdings angeht, hat c't-Redakteur Jo Bager noch einige Bedenken.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 6 Kommentare lesen
Editorial: E-Health: Intimste-Daten-Abfluss-Gesetz
Lesezeit: 2 Min.
Von

Gesundheitsminister Jens Spahn war sichtlich stolz, als er verkündete, dass sein Digitale-Versorgung-Gesetz vom Bundestag abgenickt wurde. Gesundheits-Apps auf Rezept, Videosprechstunden, der Ausbau der Telematik-Infrastruktur: Unser Gesundheitswesen kann ein Update gut gebrauchen, und das Gesetzespaket enthält viele gute Elemente dafür.

Das gilt grundsätzlich auch für den Paragrafen 303 SGB V. Der sieht vor, dass eine "Vertrauensstelle" der Krankenkassen eine Datenbank mit den Gesundheitsdaten aller gesetzlich Krankenversicherten anlegt. Damit ließe sich das Gesundheitssystem besser steuern und auch für die Forschung ist ein solcher Datenpool sicherlich ein wertvolles Instrument. Dennoch erstaunt es, wie geräuschlos die riesige Datensammlung durchgewunken wurde.

Bei der Organspende konnten sich die Gesundheitspolitiker bisher noch nicht einmal zu einer Widerspruchslösung durchringen; der Einzelne muss sich also aktiv dazu entscheiden, nach dem Tod seine Organe anderen zur Verfügung zu stellen. Dagegen sollen gesetzlich Versicherte ihre intimen Gesundheitsdaten zukünftig einfach so "spenden", ohne Vetomöglichkeit?

Im Gesundheitsmarkt ist viel Geld zu verdienen, ein Schlüssel dazu sind Patientendaten. Es ist kein Zufall, dass Google den Wearables-Hersteller Fitbit gekauft und Millionen US-amerikanischer Patientendaten durchleuchtet hat. Eine zentrale Gesundheitsdatei ist also ein Datenschatz, der Begehrlichkeiten wecken wird.

Auch wenn man den Versicherten jetzt hoch und heilig zusichert, dass nur ausgewählte Kreise an die Daten der Vertrauensstelle herankommen sollen: Wo ein Trog ist, da sammeln sich die Schweine, das hat sich im Umgang mit Daten in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Und so ist es alles andere als übertrieben, wenn der Verein Digitale Gesellschaft warnt, dass die Datensammlung "der Überwachung, der Kontrolle und der Sortierung von Menschen sowie der Diskriminierung bestimmter Risikogruppen Tür und Tor" öffnet.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Paragraf 303 sollte nicht komplett kassiert werden. Was aber fehlt, ist eine breite öffentliche Debatte, was dieses Gesetz für jeden einzelnen bedeutet und wie es ausgestaltet werden soll. Und vielleicht einigen wir uns als Gesellschaft danach dann auf eine weniger übergriffige Lösung — etwa eine, bei der jeder Versicherte nach seiner Zustimmung gefragt wird.

Jo Bager

Dieser Artikel stammt aus c't 25/2019. (jo)