British Essentials Teil 3

Britische Autogeschichte: 1945 bis heute

Lesen Sie im dritten Teil unseres kurzen Überflugs über die britische Automobilgeschichte das traurige Kapitel deren Absturzes. Garniert ist dieser aber mit einigen automobilen Preziosen und Geniestreichen

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Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Großbritannien steht mit dem beschlossenen Brexit 2020 vor gravierenden Veränderungen. Das wird fraglos auch weitreichende Auswirkungen auf die traditionsreiche, britische Automobilindustrie haben. Wir widmen uns dieser in mehreren Teilen.

Großbritanniens Autoindustrie stirbt - Der englische Patient

Basics zur britischen Autogeschichte vor 1914

Britische Autogeschichte: Zwischen den Kriegen

Unvorstellbarerweise hatte der Zweite Weltkrieg die nur 21 Jahre vorher zu beklagenden Schrecken in den Schatten gestellt. Europa lag in Trümmern. Und zwar so sehr, dass die Rasanz der Erholung und des Wiederaufbaus der britischen Autoindustrie in der Rückschau kaum glaublich wirkt. Bei Ford in Dagenham wurden schon 1946 115.000 Fahrzeuge produziert. In London-Walthamstow und Langley (Buckinghamshire) wurden neue Fabriken gebaut. Weitere Fabriken kamen hinzu. 1953 hatte Ford in Großbritannien 40.000 Beschäftigte.

Die Modelle Anglia, der in den Harry Potter-Filmen eine späte Karriere machte, und Cortina, die englische Taunus-Version, prägten das englische Straßenbild der 1960er- und 1970er-Jahre. Der Escort wurde ein Topseller. 1967 wurde Ford of Britain mit Ford Deutschland zu Ford of Europe verschmolzen. Synergien wurden jetzt genutzt, eigenständige Modelle für den englischen Markt wurden fortan nicht mehr entwickelt. Allerdings hat die britische Entwicklungsabteilung bis heute großen Anteil an den europäischen Ford-Modellen.

Aus SS wird Jaguar

1945 hatte sich die Firma „SS“ in „Jaguar“ umbenannt, da die Konnotation mit Hitlers „Schutzstaffel“ nicht mehr tragbar erschien. Mit dem XK 120 OTS (open two-seater) mit 3,8-Liter-Reihensechszylinder und eleganter Roadster-Karosserie erschuf Jaguar bereits drei Jahre später wieder einen vergleichsweise günstigen und begehrenswerten Sportwagen, der vor allem in den USA zum Riesenerfolg wurde.

Die Fahrleistungen waren für die damalige Zeit atemberaubend. Dass Jaguar die Karosseriegestaltung beim BMW 328 Mille Miglia Roadster abkupferte, der 1940 mit Unterstützung aus dem Nazi-Regime entstand, ist nicht nachweisbar. Die nahezu identische Form legt das allerdings nahe. Während sich die großen Jaguar-Limousinen zu Beginn der 1950er-Jahre vor allem stilistisch nur zaghaft von der Vorkriegszeit lösen konnten, sollte die kleine 2,4-Liter-Limousine, die 1955 vorgestellt wurde, der Marke eine neue Prägung geben.

Zunächst wurde sie gar nicht so positiv und enthusiastisch aufgenommen, ihren großen Erfolg hatte sie erst nach einem Facelift. Die Modellpflege brachte auch den 3,8-Liter-Reihensechszylinder und hieß einfach „Serie 2“, also auf Englisch: „Mark II“. Der Mark II ist bis heute eine Ikone unter den Sportlimousinen. Im Mai 1960 kaufte Jaguar von BSA die Marke Daimler. In den folgenden Jahrzehnten sollte sie leider zu einer Jaguar-Ausstattungslinie verkommen.

Anzeigenkontakt David Brown

Aston Martin hatte sich zwar durch Rüstungsaufträge über den Krieg gerettet. Genug Geld für eine Neukonstruktion war aber nicht da. Deshalb suchte der damalige Aston Martin-Besitzer Gordon Sutherland per Zeitungsannonce einen Käufer für die Sportwagenschmiede aus West-London. 1947 griff der Unternehmer David Brown zu, der ein Vermögen mit landwirtschaftlichen Maschinen gemacht hatte und Sportwagen liebte.

Kurze Zeit später kaufte Brown auch die Firma Lagonda, die in Staines nahe London sportliche und luxuriöse Fahrzeuge herstellte und einen Sechszylinder-DOHC-Reihenmotor einbrachte, den W.O. Bentley konstruiert hatte. Die GT-Fahrzeuge der DB-Reihe (nach den Initialen des Besitzers) von Aston Martin wurden in den folgenden Jahrzehnten sowohl auf der Rennstrecke als auch auf dem Boulevard zur Konkurrenz von Ferrari. Insbesondere der DB5 wurde berühmt. Nicht nur wegen seiner Touring-Superleggera-Karosserie oder dem 286-PS-Reihensechszylinder von Konstrukteur Tadek Marek. Er ist als Dienstwagen von James Bond bis heute eines der bekanntesten Filmautos.

Vom Minor zum Mini

Morris startete sehr ambivalent in die Nachkriegszeit. Zunächst gelang 1948 mit dem neuen Minor der Durchbruch für die britische Massenmotorisierung. Der Minor war in der frühen Nachkriegszeit auf seinem Heimatmarkt ähnlich verbreitet wie der VW Käfer in Deutschland. Kurz nach dem Erscheinen dieses Erfolgsmodells verlor Morris aber seine Eigenständigkeit und wurde mit seinem Rivalen Austin zur British Motor Company BMC zwangsfusioniert. Fortan waren Austin, Morris, MG, Riley, Wolseley nur noch Markennamen desselben Konzerns. Zum Teil dienten sie nur noch dem Badge-Design.

Eine weitere Marke kam 1952 in das BMC-Portfolio. Der Sportwagenhersteller Donald Healey und BMC-Präsident Leonard Lord einigten sich darauf, dass der Roadster Healey 100 über BMC vertrieben werden sollte. Die Marke „Austin-Healey“ war geboren und starb erst 1971 mit der Einstellung des letzten Austin-Healey Sprite. 1959 kam ein kleines, unvergleichliches Fahrzeug bei BMC heraus. Es sollte zu einer eigenen Marke werden: der Mini.

Nach dem Krieg übernahm die Standard Motor Company den in Konkurs gegangenen Hersteller Triumph Motor Company. Mit der TR-Reihe gelangen Triumph in der Folge weltweit erfolgreiche britische Roadster-Ikonen. 1984 verschwand der Name Triumph nachdem ihn British Leyland auf einem Honda-Modell missbraucht hatte.

Alu-Landmaschine für den Export

Stahl war nach dem Zweiten Weltkrieg in Großbritannien sehr knapp und staatlich kontingentiert, worunter die Automobilindustrie natürlich stark zu leiden hatte. Nur solche Firmen erhielten das begehrte Material zugeteilt, die auf Bestellungen aus dem Ausland verweisen konnten. Durch Exporte wurde ja die britische Wirtschaft gestützt und das wollte die Regierung gerade nicht unterdrücken. Die Rover Company in Coventry hatte aber keine gefüllten Auftragsbücher aus dem Ausland. Es musste also ein Produkt her, dass für das Ausland attraktiv war und größtenteils ohne Stahl produziert werden konnte.