Eine neue Karte zeigt detailreicher als je zuvor, wo Menschen leben

Menschliche Siedlungen sind Ursache und Folge der meisten ökologischen und gesellschaftlichen Veränderungen auf der Erde. Der "World Settlement Footprint" markiert sie mit beispielloser Genauigkeit.

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Eine neue Karte zeigt detailreicher als je zuvor, wo Menschen leben

(Bild: DLR)

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Eines der wichtigsten Ziele der Geographie ist zu untersuchen, wo Menschen leben und wie ihre Präsenz sich auf den Planeten auswirkt. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Die Weltbevölkerung beläuft sich auf rund sieben Milliarden Menschen. Etwa die Hälfte lebt in Städten. Unternehmen wie Google, Microsoft und sogar OpenStreetMaps haben zwar ebenfalls umfangreiche Karten, aber meist nur von bevölkerungsreichen Gebieten und sie basieren oft auf teuren kommerziellen Karten.

Deshalb haben Geographen lange Zeit eigene Karten von menschlichen Siedlungen erstellt, die genauer, global konsistenter und frei verfügbar sind. Diese Karten basieren auf nicht-kommerziellen Satellitendaten und decken den gesamten Planeten ab. Die erste aus den achtziger Jahren hatte eine Auflösung von rund einem Kilometer. Die jüngste Inkarnation mit dem Namen "Global Urban Footprint" hat eine Auflösung von 12 Metern und basiert auf Daten, die 2012 gesammelt wurden. Diese Karten, die auf Radar und rein optischen Daten basieren, haben natürlich ihre Grenzen. Dichter Wald oder auch kahler Boden können für Ortschaften gehalten werden.

Jetzt haben Mattia Marconcini und Kollegen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Weßling eine neue globale Karte der menschlichen Besiedlung enthüllt, die den Fußabdruck der Menschheit detaillierter und genauer als je zuvor zeigt. Sie nennen ihre Karte den "World Settlement Footprint 2015" (das Jahr, in dem die Bilder aufgenommen wurden). Sie ist auf der Website für den Austausch akademischer Daten Figshare frei verfügbar und wird auf der frei verfügbaren Online-Platform ArXiv vorgestellt.

(Bild: DLR)

Die Forscher haben außergewöhnliche Anstrengungen unternommen, um die Fehler, die frühere Karten plagten, zu minimieren oder zu beseitigen. Sie tun dies auf zwei Arten. Um die durch extremes oder ungewöhnliches Wetter verursachten Verzerrungen zu umgehen, untersuchten sie zunächst mehrere Bilder desselben Ortes, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten, jedoch innerhalb des Zielzeitraums des Jahres 2015 aufgenommen wurden.

Anschließend verglichen sie diese Bilder und gingen davon aus, dass sich menschliche Siedlungen im Laufe der Zeit anders verändern als andere Oberflächenmerkmale wie Wälder, landwirtschaftliche Nutzflächen und so weiter. Dies mildert auch die Auswirkungen extremer Wetterereignisse.

(Bild: DLR)

Zweitens führten sie diese Analyse an Radarbildern des Radarsatelliten Sentinel-1 und an optischen Bildern des Erdbeobachtungssatelliten Landsat-8 durch. Auf diese Weise werden die Mängel von Radarbildern durch die optischen Bilder gemildert und umgekehrt. Insgesamt hat das Team mehr als 300000 Bilder der Erdoberfläche analysiert. Alleine die optischen Daten belaufen sich auf 1,5 Petabyte. „Am Schluss werden die beiden Ergebnisse richtig miteinander kombiniert“, sagen Marconcini und Kollegen. Dies ist das erste Mal, dass diese Art der Doppelanalyse durchgeführt wird.

Natürlich kann diese Arbeit nicht mit menschlichen Augen gemacht werden. Stattdessen werden die Analysen automatisch von einem Bildverarbeitungsalgorithmus durchgeführt, der auf einem Supercomputer in der Tschechischen Republik läuft, und von Googles Cloud-Computing-Plattform. Der Algorithmus ist darauf trainiert, menschliche Siedlungen zu erkennen und von anderen Landnutzungen zu unterscheiden.

Kartenausschnitt Westafrika.

(Bild: DLR)

Es gibt einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen dem World Settlement Footprint 2015 und früheren Karten. Um sicherzustellen, dass die Siedlungsklassifizierung korrekt ist, überprüften die Forscher mithilfe von Human Crowdsourcing eine Reihe von 900.000 zufällig ausgewählten Gebieten mit den Daten der Grundwahrheit.

Interessanterweise handelt es sich bei diesen Daten um Google-Earth-Bilder mit einer Auflösung von 1,5 Metern für optische Satellitenbilder bis hin zu nur 15 Zentimetern für Daten aus der Luft. Mit diesen kommerziellen Bildern kann die Karte nicht selbst erstellt werden, da sie zu teuer ist.

Das Ergebnis ist eine Karte des menschlichen Fußabdrucks auf dem gesamten Planeten (mit Ausnahme der Antarktis) mit beispielloser Genauigkeit und Konsistenz. Es gibt jedoch noch einige Einschränkungen. Die Karte hat eine Auflösung von 10 Metern, wodurch es schwierig ist, kleine Strukturen wie Hütten, Schuppen und Zelte oder Wohnhäuser zu erkennen, die von starkem Laubwerk verdeckt sind.

Daher ist es nicht gut für Nomaden oder jemanden, der in einer kleinen, isolierten Behausung lebt. Doch Demografen, Soziologen, Ökonomen und einer Reihe anderer Forscher wird die Karte dabei helfen, menschliche Siedlungen und ihre Auswirkungen besser zu verstehen.

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