Zalando: Berliner Datenschützer prüfen Bewertungssoftware Zonar

Die Berliner Datenschutzbehörde prüft nun die Personal-Bewertungssoftware Zonar von Zalando. Inzwischen kritisieren auch Politiker das Angestellten-Scoring.

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Zalando-Paket

(Bild: dpa, Oliver Berg/Archiv)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Simon Koenigsdorff
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Die Berliner Datenschutzbeauftragte will das Scoring-System für Angestellte des Online-Versandhändlers Zalando auf Mängel beim Datenschutz überprüfen, nachdem die dort eingesetzte Software Zonar in die Kritik geraten ist. Das bestätigte eine Sprecherin der Datenschutzbehörde gegenüber heise online. Zuvor hatte Netzpolitik.org über die Prüfung berichtet.

Als Erstes hatte eine Studie im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung Zalando aufs Korn genommen. Die Autoren hatten den Einsatz des Bewertungstools stark kritisiert und Zalando unter anderem Datenschutzverstöße vorgeworfen. Die Behörde hat nach eigenen Angaben ein Prüfverfahren von Amts wegen eingeleitet, nachdem Zalando sie zwei Tage vor Veröffentlichung der Studie über den Einsatz von Zonar informiert hatte. Offizielle Beschwerden von Beschäftigten lägen jedoch bislang nicht vor, erklärte die Sprecherin.

Konkret geht es bei der Prüfung sowohl um die Frage, inwieweit die Beschäftigten von Zalando transparent über den Einsatz von Zonar und die Auswertung der damit erhobenen Daten informiert worden sind, als auch um eine rechtliche Bewertung der Datenerhebung durch die Software an sich. Die Studie von zwei Forschern der Humboldt-Universität Berlin hatte neben verschiedenen anderen Kritikpunkten bemängelt, dass bei der Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) 2018 die Beschäftigten nicht DSGVO-konform über die Software informiert worden seien. Darüber hinaus sei die algorithmische Verarbeitung der Bewertungen, die sich Beschäftigte mittels Zonar gegenseitig geben, nicht ausreichend transparent gemacht worden.

Zalando widerspricht in einer Stellungnahme den Vorwürfen. Man habe die Datenschutzbehörde von Berlin bereits vor der Berichterstattung informiert und stehe auch mit der Schwesterbehörde in Thüringen in Kontakt, wo Zalando ein Logistikzentrum betreibt. Datenschutzverstöße sieht man bei dem Versandhändler nicht und betont: "Zonar entspricht den gesetzlichen Anforderungen gemäß der DSGVO. Unsere Mitarbeiter wurden und werden in Form von ausführlicher Dokumentation fortlaufend zu Zonar und seiner Funktionsweise informiert."

Zonar wird bei Zalando seit drei Jahren eingesetzt, um Bewertungen von Beschäftigten durch Kollegen und Vorgesetzte zu sammeln, aktuell nehmen nach Unternehmensangaben mehr als 5.000 der insgesamt 14.000 Beschäftigten daran teil. Mit dem Tool können Mitarbeitende gegenseitig ihre Leistungen bewerten, dazu kommen regelmäßige Berichte durch Vorgesetzte, auf deren Basis die Angestellten in drei Performance-Kategorien eingeteilt werden. Diese haben Einfluss auf Beförderungschancen und Bonuszahlungen.

Die am Mittwoch veröffentlichte Studie kritisiert, die Bewertungssoftware habe "Effekte wie eine Verschlechterung des Betriebsklimas, Stress und psychologische Belastungen auf Seiten der Beschäftigten." Philipp Staab und Sascha-Christopher Geschke von der Humboldt-Universität hatten dafür Beschäftigte interviewt, die eine permanente "360-Grad-Überwachung" und "Stasi-Methoden" beklagt hatten.

Zalando wies die Vorwürfe von sich und betonte, die Zahl von nur 10 Befragten für die Studie sei keineswegs repräsentativ. Zonar helfe mit "360-Grad-Feedback" bei der "persönlichen Karriereentwicklung" der Beschäftigten und sei fairer im Gegensatz zu reinen Bewertungen durch Vorgesetzte. "Bei Zalando ist Transparenz und eine offene Feedbackkultur seit jeher gelebte Realität", so das Berliner Unternehmen in einer Pressemitteilung.

In der Zwischenzeit wurden auch Stimmen aus der Politik laut, die die Bewertungssoftware kritisieren. Norbert Walter-Borjans, Kandidat für den SPD-Parteivorsitz, warf Zalando vor, die Digitalisierung zu missbrauchen. "Wir empören uns darüber, dass in China das Wohlverhalten der Bürger erfasst und bewertet werden soll und merken nicht, dass das System von Beobachtung, Kontrolle und Bewertung Einzug in die heimische Arbeitswelt hält", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Dietmar Bartsch, Linken-Fraktionschef im Bundestag, erklärte: "Derartige Methoden der Überwachung und gegenseitigen Kontrolle gehören verboten." Der Einsatz einer solchen Software wecke "Orwellsche Erinnerungen". (siko)