Bank-Manager über PSD2: Datenteilen nutzt vor allem Google, Facebook und Apple

Martin Schmidberger von der ING-Diba sieht die großen Plattformen als die eigentlichen Gewinner der nun vorgeschriebenen Schnittstelle für Kontoinformationen.

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Bank-Manager: Datenteilen per PSD2 füttert vor allem die Datenkraken

(Bild: Elvira Koneva/Shutterstock.com)

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Seit September greifen auch hierzulande die Vorschriften der EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2, die der Bundestag Mitte 2017 in deutsches Recht umgesetzt hatte. Neben der 2-Faktor-Authentifzierung fürs Online-Banking müssen die hiesigen Finanzinstitute damit auch eine einheitliche, offen gelegte Schnittstelle bereithalten, um zertifizierten Drittanbietern den Zugriff auf Kontodaten für unterschiedliche Anwendungen zu ermöglichen. Die EU-Kommission wollte damit vor allem innovative Dienste von Fintechs beflügeln. Laut einem Brancheninsider hat der Gesetzgeber in der Praxis aber das Gegenteil erreicht.

"Google, Facebook und Apple sind die eigentlichen Gewinner", meint Martin Schmidberger, Leiter des Bereichs Kundeninteraktionen bei der ING-Diba am Dienstag auf dem "Datentag Datenteilungspflicht" der Stiftung Datenschutz in Berlin. Dank der Schnittstellen könnten die Tech-Riesen "wie eine Bank agieren, ohne eine zu sein". Damit sei es möglich, "alle Services durch aggregierte Kontakte" abzubilden. Der Wettbewerb verlagere sich damit hin zu "Non-Banks". Ganz in diesem Sinne habe Google bereits angekündigt, ins Bankgeschäft einsteigen zu wollen. Auch der große Vergleichsdienst Check24 besitze bereits eine Banklizenz, um einschlägige Dienstleistungen "mit Reisen oder Versicherungen zu verknüpfen".

Mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Interface dürfen registrierte Dritte Kontoumsätze laut dem Experten für Data Mining in verschiedene Apps laden, sodass die Nutzer über eine Art Cockpit wie gewohnt online auch dort ihre Umsätze einsehen und Überweisungen tätigen könnten. Die damit verknüpfte große Frage sei, wer noch den "zentralen Zugang zum Kunden" habe. Startups gehörten eher nicht dazu, da sie nur kleine Nischen besetzten und sich so schwer täten, die erforderliche Einwilligung vom Kunden für den Datenzugang zu bekommen.

Die Karten im Bankgeschäft würden mit der Richtlinie zwar neu gemischt, konstatierte Schmidberger. Das Wettbewerbsdenken komme hier aber an enge Grenzen, da die großen datengetriebenen Akteure ihre massiven Kundenvorteile ausspielen könnten. Bei den großen Endkundenmärkten, die digital stattfinden, gebe es bereits eine "unglaubliche Marktkonzentration". Google & Co. würden daher auch immer von Auflagen zum Datenteilen am meisten profitieren, "da sie schon eine etablierte Plattform haben" und darüber auch im Handumdrehen die Einwilligungshürde überspringen könnten. Letztlich sei das entscheidende Element für datengetriebene Geschäftsmodelle "Traffic, also die Nutzer".

"Daten per se erzeugen keinen Wettbewerb", betonte der Honorarprofessor. "Es braucht den Zugang zu den Kunden." Wenn die Bankkontakte im konkreten Fall nun "bei anderen landen, ist ein Stück der Produktkalkulation eines Girokontos obsolet geworden". Die traditionellen Finanzhäuser dürften ihre Preise für derlei Basisprodukte also anheben.

Die SPD-Netzpolitikerin Saskia Esken warb trotzdem prinzipiell weiter für die sozialdemokratische Initiative für ein Gesetz für "Daten für alle". Das Präsidium der Partei habe dazu jüngst einen Ansatz beschlossen, wonach marktbeherrschende Firmen verpflichtet werden sollen, einschlägige Ressourcen mit anderen Unternehmen in derselben Branche zu teilen. Sie halte dies zwar noch für zu kurz gegriffen, da Daten für die Allgemeinheit offengelegt werden müssten, um auch zivilgesellschaftliche Innovationen voranzutreiben. Insgesamt bezeichnete die Kandidatin für den SPD-Vorsitz das Vorhaben aber als ersten Schritt, um eine "Kultur des Datenteilens" zu erzeugen. Der Staat als "größter Datenmonopolist" müsse parallel im Bereich Open Data mit gutem Vorbild endlich entschieden vorangehen.

Dem letzten Punkt pflichtete der FDP-Bundestagsabgeordnete Manuel Höferlin bei. Die Liberalen wollten aber keinen Zwang für Firmen zum Datenteilen. Es gelte zunächst, offene Schnittstellen zu definieren und die Portabilität von Informationen zu gewährleisten. Sinnvoll sei ein Datenkarussell, in das Interessenten Daten einspeisten und bestimmte Nutzungsrechte festlegten: "Je mehr ich teile, desto mehr Vorteile kann ich daraus ziehen."

Der Marburger Wirtschaftsprofessor Wolfgang Kerber bezeichnete Datenteilen als "charmanten Ansatz", bei dem es aber zu Problemen bei der faktischen Umsetzung komme. So müsse ein bestimmtet Markt definiert und ein Anteil der Dominanz festgelegt werden, an dem bestimmte Gruppen Zugang bekommen sollten. Aspekte wie Datenschutz, Geschäftsgeheimnisse, Kompensation und Sicherheit müssten miteinbezogen werden. Allgemeine simple Modelle dafür existierten bislang nicht.

Das bestehende "freiwillige" Angebot der Automobilindustrie für ein "Neutral Extended Vehicle for Advanced Data Access", wobei ein Teil der fahrzeuggenerierte Daten auf einem "neutralen Server" gespeichert und im Anschluss gegebenenfalls für einzelne Nutzergruppen freigegeben werden soll, ist für Kerber dabei ein "schönes Beispiel, wie man es nicht machen sollte". Die Hersteller behielten sich dabei die exklusive Kontrolle über alle anfallenden Daten vor, sodass unabhängige Serviceanbieter vom Markt ausgeschlossen werden könnten. Andererseits sei das Versagen traditioneller Wettbewerbskonzepte bei den großen Datenplattformen im Netz kaum mehr übersehbar, sodass neue Instrumente zum Gegensteuern erforderlich seien.

Achim Wambach vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung empfahl als Co-Vorsitzender der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0, "konsequent in Richtung Datentreuhänder" zu denken. Marktbeherrschende Firmen sollten zudem Daten in Echtzeit portabel machen. Eine rigorose Vorschrift zum Teilen würde dagegen die Anreize für Firmen verringern, überhaupt Daten zu sammeln und für Analysezwecke einzusetzen. Wenn Kunden keine Präferenz zeigten, für Apps mit einem besseren Schutz der Privatsphäre mehr Geld auszugeben, sorge der Wettbewerb zudem nicht für Datenschutz und der Bereich sei dann auch kein Thema für die Kartellaufsicht. (mho)