Rückschau 2019: Das Schwarze Loch – Schatten seiner selbst

2019 wurde das erste Foto eines Schwarzen Lochs veröffentlicht. Was genau darauf eigentlich zu sehen ist, wird aber noch diskutiert.

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Erstmals konnte – auf der Grundlage von Radiowellen – das Foto eines Schwarzen Lochs erstellt werden.

(Bild: Event Horizon Telescope collaboration et al.)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Wolfgang Richter

Die Erde war gerade groß genug. Würden wir auf einem kleineren Planeten leben, wäre das eindrucksvollste Wissenschaftsfoto des Jahres 2019 und vermutlich des gesamten Jahrzehnts nicht möglich gewesen. Es zeigt das Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87, 55 Millionen Lichtjahre von uns entfernt, so schwer wie 6,5 Milliarden Sonnen, neunmal so groß wie die Entfernung von der Erde bis zum Planeten Neptun. Aufgenommen wurde das Bild von einem Verbund aus insgesamt acht Radioteleskopen, die über die ganze Erde verteilt sind. Sie wurden für das Foto zusammengeschaltet und verhalten sich deshalb wie ein einziges, riesiges Teleskop. Das Schwarze Loch selbst kann man auf dem Foto nicht sehen – aber seinen Schatten.

Um das zu verstehen, muss man etwas mehr über Schwarze Löcher wissen. Schon Anfang des letzten Jahrhunderts haben Forscher über sie nachgedacht, so etwa Karl Schwarzschild an der Ostfront des Ersten Weltkriegs. 1915 erkannte er, dass Einsteins Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie für ­extrem dichte Massen scheinbar widersinnige Ergebnisse lieferten. Ihnen zufolge müsste die kollabierende Materie eines Riesensterns in einen einzigen Punkt zusammenstürzen – eine sogenannte Singularität. Das hätte für sämtliche Materie und auch das Licht in der Nähe dramatische Folgen: Innerhalb ­eines bestimmten – später nach Schwarzschild benannten – Radius würde alles unweigerlich in die Mitte gesogen. Was auch ­immer diese "Ereignishorizont" genannte Grenze überschreitet, es könnte nie mehr wiederkehren.

Bereits Ende der 60er-Jahre ahnte man, dass es diese unheimlichen Gebilde wirklich gibt und sie sich durch Radiowellen verraten, die auf der Erde als extrem schwache Signale nachweisbar sind. Am Entstehungsort allerdings tobt ein Inferno. Die starken Gravitationskräfte der massereichen Singularität ziehen nämlich weitere Materie an: Sterne, Planeten und Nebel, die sich spiralförmig auf diesen Punkt zubewegen. In einer sogenannten Akkretionsscheibe verdichtet und beschleunigt sich die Materie, um schließlich hinter dem Ereignishorizont zu verschwinden. Magnetfelder werden dabei durch die Rotation und den Druck verstärkt und führen dazu, dass zwei Jets senkrecht aus der Akkretionsscheibe herausschießen. Sie beschleunigen Materieteilchen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit. Sowohl Jets als auch Scheibe geben ein breites Spektrum elektromagnetischer Strahlung ab. Gerade die langwellige Radiostrahlung kann ihren Weg durch stellare Nebelschwaden bis zu uns finden. Ein Schwarzes Loch beleuchtet sich damit sozusagen mit Funkwellen selbst, und der Schatten davon wurde von dem Teleskopverbund jetzt erstmals abgebildet.

(rot)