Zahlen, bitte! – SMS: 160 Zeichen für die Zukunft der Kommunikation

Die SMS war anderthalb Dekaden lang Taktgeber in der individuellen mobilen Kommunikation und unerwarteter Geldsegen für die Provider.

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Zahlen, bitte! - Die SMS: Einst 160 Zeichen Zukunft der Kommunikation
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Inhaltsverzeichnis

Die SMS (Short Message Service) war über anderthalb Jahrzehnte lang ein zentrales Kommunikationsmittel für Handynutzer und spielt auch heute noch eine wichtige – wenn auch nicht mehr dominante – Rolle. Dabei erkannten die Netzbetreiber das Potenzial der 160 Zeichen langen Nachrichten zunächst nicht und wurden von der Nachfrage fast überrumpelt.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Der Short Message Service war dafür gedacht, Statusnachrichten etwa zu Problemen über den Signalisierungskanal der Mobilfunknetze zu übermitteln. Entwickelt wurde die SMS für den Mobilfunkstandard GSM, der in den 1980er Jahren von der Europäischen Konferenz der Post- und Fernmeldeverwaltungen (CEPT) in vielen Sitzungen festgezurrt wurde.

Die Idee, über den meist ungenutzten Steuerungskanal auch Textnachrichten zu übertragen, wird dem 2015 verstorbenen Nokia-Ingenieur Matti Makkonen zugeschrieben. Er schlug ein System vor, das im GSM-Netz neben den Sprach Nachrichten übermitteln sollte, wie die damals üblichen Pager-Dienste.

Für die Bemessung der Zeichenlänge einer Nachricht orientierten sich die Entwickler an anderen üblichen Kommunikationsmitteln wie Postkarten, Faxe oder Telex-Mitteilungen. Nach der Auswertung dieser Nachrichtenmittel schlug der Ingenieur Friedhelm Hillebrand als Vertreter der deutschen Bundespost die Beschränkung einer Nachricht auf 160 Zeichen (7 Bit je Zeichen × 160 Zeichen = 1.120 Bit) vor. Das sollte für die Übermittlung relevanter Informationen reichen.

Damals die große Stärke der SMS: Unterwegs Nachrichten empfangen und versenden können.

(Bild:  CC BY 2.0 , Ken Banks )

1990 wurde der GSM-Standard eingeführt. Am 3. Dezember 1992 verschickte der Programmierer Neil Papworth von der IT-Firma Sema die erste Test-SMS über das britische Vodafone-Netz an das klobige Orbitel TPU 901 des Vodafone-Managers Richard Jarvis:

Merry Christmas

Dieser kurze Weihnachtsgruß zeigte, dass das System funktionierte. GSM-Telefone konnten damit wie die vor allem in Asien und in den USA beliebten Pager Nachrichten empfangen und – das war der Vorteil gegenüber den Pagern – auch selbst Mitteilungen versenden. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurde die SMS dann von vielen Netzbetreibern auch ihren Kunden angeboten – und war zunächst gratis.

Die enorme Nachfrage in kürzester Zeit ließ die Preise allerdings in die Höhe schnellen, da die Provider ein Zusatzgeschäft witterten. Denn insbesondere bei Jugendlichen war die SMS schnell beliebt, da man unterm Tisch schnell mit seinen Freunden kommunizieren konnte. Auch an Geburts- und Feiertagen etablierten sich die Grußnachrichten.

Die Provider profitierten enorm, da aufgrund der riesigen Nachfrage die SMS-Nachrichten teilweise mehr Einnahmen generierten als die regulären Telefongebühren. Während heute SMS oftmals in Flatrates inklusive sind, riefen die Anbieter damals Preise von bis zu 39 Pfennig pro Nachricht auf. Und das, obwohl die Datenmenge einer übertragenen SMS nur etwa 1/1000 der einer Gesprächsminute betrug.

Zwei SMS des Providers, die den Nutzer über die Einrichtung des neuen Mobilfunkvertrags auf dem Smartphone informieren.

Die Handyhersteller freuten sich wiederum, dass sie nun mit allerlei Weiterentwicklungen wie mehr SMS-Speicher, Displaygrößen oder Schreibhilfen wie T9 ("text on nine keys") den Kampf um die Kundschaft anheizen konnten. Insbesondere die Teenager waren nach kurzer Zeit so geübt darin, dass viele innerhalb von Sekunden eine SMS schreiben konnten, ohne einmal aufs Display zu blicken. Sie entwickelten auch eigene Abkürzungen und verwendeten Emojis. Zudem wird mittlerweile auf negative Folgen in der Schriftsprache durch SMS und Co. hingewiesen. Einfluss nahm die SMS auch auf andere Dienste: die Anfangs maximal 140 Zeichen pro Tweet des Microblogging-Dienstes Twitter wurden aus Kompatibilitätsgründen gegenüber der SMS gewählt.

Der Anfang vom Ende der Dominanz der SMS kam 2007 mit dem iPhone, als die Smartphones begannen, die herkömmlichen Handys vom Markt zu verdrängen. Zwar hielt der SMS-Boom noch eine Weile an – bis zu seinem Höhepunkt 2012 mit über 59 Milliarden in Deutschland versendeten Nachrichten. Aber durch die neuen Möglichkeiten der Smartphones wurden nun die Defizite des Konzepts aus den 80ern offensichtlich.

Messengerdienste wie WhatsApp, Signal oder der Facebook-Messenger, über die problemlos auch Dateien wie Bilder, Sounds und Dokumente versendet werden konnten, waren nun deutlich attraktiver als die technisch limitierte SMS und untergruben damit das einst so lukrative Geschäft der Anbieter.

Zwar wurde bereits 2002 mit dem Multimedia Messaging Service (MMS) ein SMS-Nachfolger präsentiert, der sich aber aus verschiedenen Gründen – genauso wie dessen Weiterentwicklung Joyn – nie so durchsetzte wie erhoft. Seit einiger Zeit versucht Google mit dem "Rich Communication Services"-(RCS)-Kommunikationsprotokoll einen Nachfolger zu etablieren.

Die SMS hat allerdings noch immer ihre Vorteile. Sie ist auch dort noch nutzbar, wo kein mobiles Internet oder WiFi in der Nähe ist. Außerdem ist prinzipiell jedes GSM-Handy fähig eine SMS zu empfangen. Und in eigebetteten Systemen spielt die SMS bis heute eine wichtige Rolle. Z. B. erfolgt bei der LKW-Maut die Datenübermittlung via SMS.

Zahlen, Bitte! - Anzahl versendeter SMS in Deutschland
Jahr Anzahl Mrd.
1996 0,1
1998 1,0
2000
11,4
2002 18,4
2004 19,7
2006 20,1
2008 27,8
2010 41,3
2012 59
2014 22,5
2016 12,7
2018 8,9

(mawi)