Einpeitscher des Fortschritts

"Internet für alle - Digitale Integration" – unter diesem Motto beschäftigt sich heute und morgen ein Kongress mit der Überwindung der digitalen Spaltung.

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Von
  • Richard Sietmann

"Internet für alle - Digitale Integration" – unter diesem Motto bemühen sich heute und morgen auf einem Kongress in Berlin das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit der Burda Akademie zum Dritten Jahrtausend "Brücken zur Überwindung der digitalen Spaltung zu bauen". So erklärte es Christa Maar, Präsidentin des interdisziplinären ThinkTanks des Burda-Verlags, zur Eröffnung.

"Hier geht es nicht allein um die Gewinnung neuer Kundensegmente", stellte Wirtschaftsminister Werner Müller gleich zum Auftakt klar. "Wir sind in den letzten Jahren bei der privaten Nutzung des Internet ein gutes Stück vorangekommen." Inzwischen gehen mehr als 27 Millionen Bürger privat online, so der Minister; "das ist fast die Hälfte aller Bürger über 14 Jahre".

Derzeit stoßen schätzungsweise täglich 1600 Netizens neu zur Netzgemeinde hinzu. Das bedeutet allerdings, dass auch im Jahre 2003 immer noch rund 21 Millionen Bundesbürger völlig offline sein würden oder sein wollen. Nach Jahren der Internet-Euphorie stößt die weitere Expansion jetzt offenbar zunehmend auf einen harten Kern von Zeitgenossen, die auch ohne das Netz der Netze gut über die Runden kommen.

Waren 1997 bereits 15 Prozent aller Studierenden und nicht einmal zwei Prozent der Volks- und Hauptschüler im Internet, so hat sich der Abstand heute auf mehr als 60 Prozent bei den Studenten und lediglich 18 Prozent bei den Hauptschülern vergrößert.

"Eine Vielzahl von Gruppen und Personen quer durch alle gesellschaftlichen Schichten", so Christa Maar, zeigen "bisher wenig bis gar kein Interesse an der Nutzung". Sie sieht die Gründe unter anderem "in der fehlenden Bereitschaft der Menschen, neue berufliche und soziale Qualifikationen zu erwerben". Eine große Rolle spielen "niedriges Bildungsniveau und geringes Einkommen". Im Moment, so Verleger Hubert Burda als Mitveranstalter des Kongresses, "erscheint es so, als hätten sich die Positionen eher verfestigt".

Nach Ansicht von Günter Junk, Geschäftsführer der Cisco Deutschland GmbH und Vorstandsmitglied der Initiative D21, sind jedoch weniger die gesellschaftlichen Randgruppen das Hindernis – "es ist ein Einstellungsproblem". Er kann sich durchaus vorstellen, dass Alleinerziehende, Arbeitslose, Sozialhilfe-Empfänger, weniger Begabte oder Fingerfertige unter Anleitung und Hilfestellung "in Bürgerbüros online gehen".

Um auch jene Hälfte der Gesamtbevölkerung zu erreichen, die in Befragungen bislang angeben, auch künftig nicht das Internet nutzen zu wollen, weil sie dort nichts Interessantes erwarten – was dem Verleger von Focus und Bunte natürlich ein Dorn im Auge sein muss – eröffnete der Bundeswirtschaftsminister heute das "Netzwerk Digitale Chancen". Hier können sich die potenziellen Internet-Einsteiger von einer telefonischen Hotline (01805/383725) in das nächstgelegene Bürgerbüro, Internet-Café, die Bibliothek oder das Jugendzentrum lotsen lassen. (siehe auch Internet für alle oder der Mangel an Gelegenheit bei Telepolis) (Richard Sietmann) / (hob)