Warum Kinder Alexa nicht vertrauen

Wir neigen dazu, zu glauben, dass Kinder jegliche Informationen blind akzeptieren. Das tun sie aber gar nicht.

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Alexa

(Bild: dpa, Britta Pedersen)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Tanya Basu

Eines Tages hörte Judith Danovitch, wie ihr Sohn auf dem iPad der Familie die Sprachassistentin Siri verhörte. „Welche Hemdfarbe trage ich?“, fragte der damals Vierjährige. Er habe ganz klar die Grenzen von Siris Wissen getestet, sagt die Psychologin von der Universität von Louisville in Kentucky. Mehr und mehr Studien inklusive Danovitchs zeigen inzwischen, dass Kinder das in diesem Alter durchaus häufig tun.

In einer im Mai veröffentlichten Untersuchung hatten Danovitch und zwei Kollegen eine „selektive Vertrauensstudie“ mit chinesischen Kindern durchgeführt. Dabei wurden Fünf- bis Achtjährige in Gruppen aufgeteilt und bekamen Fragen wie diese gestellt: „Wie viele Tage braucht der Mars, um die Sonne zu umkreisen?“ Die Wissenschaftler boten den Kindern unterschiedliche Antworten an: Das Internet sage 600 Tage, ihr Lehrer dagegen 700 Tage. Wem vertrauten sie? (Die Antwort ist übrigens 687 Tage.)

Es stellte sich heraus, dass Kinder Lehrern weit mehr vertrauen – auch dann, wenn sich diese irren. Das macht trotzdem Sinn: Die Kinder kennen ihre Lehrer und haben eine starke Beziehung zu ihnen aufgebaut. Darüber hinaus hielten die Kinder sogar ihre Altersgenossen für vertrauenswürdigere Quelle als das Internet, obwohl sie wussten, dass ihre Freunde ungefähr so ​​viel wussten wie sie.

Danovitch zufolge verhalten sich Kinder verhalten so, weil das Konzept der Sprachassistenten – und damit auch die des Internets – schwer zu verstehen ist. Wenn Kinder wie Danovitchs Sohn denken, dass in der Küche eine winzige Frau namens Alexa lebt, dann versuchen sie nicht nur zu verstehen, wie dieses Ding funktioniert, sondern auch, wieviel es weiß. Einer anderen Person zu vertrauen ist dagegen fest in unserem Gehirn verankert.

Anfang des Jahres präsentierte Silvia Lovato von der Northwestern University in Evanston, Illinois, eine Studie darüber, wie amerikanische Kinder in derselben Altersgruppe, die Danovitch untersucht hat, nicht nur Sprachassistenten skeptisch gegenüberstehen, sondern auch bemerkenswert kreativ bei ihren Versuchen waren, die Zuverlässigkeit der Geräte zu testen. Während sie die Assistenten mit Fragen überhäuften, waren fantastische Wesen eine tragende Säule ihrer Verhöre.

Lovatos Artikel trägt daher auch den Titel „Hey Google, gibt es Einhörner?“. Weil aber Sprachassistenten häufig so programmiert sind, dass sie auf diese Art von Fragen – die oft auch den Weihnachtsmann, den Osterhase und die Zahnfee mit einbeziehen –, oft mit „Ich weiß nicht“ antworten, halten Kindern sie für weniger vertrauenswürdig.

Die Arbeit von Danovitch und Lovato zeigt nicht nur, dass Kinder weitaus höhere Ansprüche an Technik stellen als wir denken. Wir haben auch ein tief verwurzeltes Gefühl der Skepsis gegenüber unbekannten Quellen, das erst mit zunehmendem Alter zuweilen unschärfer wird.

Die Flut von falschen Nachrichten und die grassierenden Desinformationskampagnen, die mittlerweile in den sozialen Medien verbreitet sind, mögen den Anschein erwecken, als würden wir nicht so gründlich nach den Originalquellen suchen, wie wir sollten.

Diese Studien zeigen jedoch, dass dem nicht so ist: Zumindest in jungen Jahren vertrauen wir Technologie nicht von Natur aus. „Kinder passen auf“, sagt Danovitch. „Sie verfolgen, wer weiß, wovon sie sprechen und wer nicht. Kinder glauben nicht einfach blindlings jeder Antwort, die sie bekommen. Auch dem Internet oder Computerprogrammen glauben sie nicht blind.“

(vsz)