100 Sterne verschwunden: Extremes natürliches Phänomen oder Außerirdische?

Nach einem Fund vor Jahren haben Astronomen nun 100 Lichtpunkte identifiziert, die nur in alten Sternenkatalogen auftauchen. Was dahinter steckt, ist unklar.

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100 Sterne verschwunden: Extremes natürliches Phänomen oder Außerirdische?

Eine Aufnahme aus dem Jahr 1950 zeigt im Zentrum einen Stern, eine aktuelle (rechts) nicht.

(Bild: Villarroel et.al)

Lesezeit: 4 Min.

Astronomen sind beim Vergleich von Sternenaufnahmen aus den 1950er-Jahren mit aktuellen Bildern rund 100 Objekte aufgefallen, die in dem vergleichsweise kurzen Zeitraum offenbar verschwunden sind. Im Rahmen eines Projekts namens "Vanishing & Appearing Sources during a Century of Observations" (VASCO) sollen diese und ähnliche Funde nun genauer erforscht werden. Zwar gehen die Astronomen davon aus, dass es sich um astrophysikalische Phänomene handelt – "wenn auch etwas extrem", wie es der beteiligte Forscher Martín López Corredoira ausdrückt. Aber die Wissenschaftler gehen auch auf die Möglichkeit ein, dass intelligentes außerirdisches Leben dahinter steckt.

Den aktuellen Stand ihrer Forschung hat das Team um Beatriz Villarroel vom Nordic Institute for Theoretical Physics und dem Institut für Astrophysik der Kanarischen Inseln (IAC) nun im Fachmagazin Astronomical Journal veröffentlicht. Villarroel hatte 2016 auch die Analyse des ersten verschwunden Sterns angeführt. Nun habe die Forscher rund 600 Millionen Himmelsobjekte im US Naval Observatory Catalogue mit einem aktuellen Katalog des Projekts Pan-STARRS (Panoramic Survey Telescope And Rapid Response System) abgeglichen. Dabei haben sie den Angaben zufolge 150.000 Objekte gefunden, für die es in dem neueren Himmelsatlas keine Entsprechung gibt. Manuell haben sie davon 24.000 Kandidaten überprüft und dabei hätten 100 "besonders interessante Quellen" ihre Aufmerksamkeit erregt.

Insgesamt seien die in der Zwischenzeit offenbar verschwundenen Objekte röter und würden sich schneller bewegen als typische Objekte in dem alten Himmelskatalog. Wären die Sterne tatsächlich verschwunden, könnte das beispielhaft für ein neues astrophysikalisches Phänomen stehen, erklären die Forscher die Bedeutung ihrer Studie. Denn normalerweise durchlaufen sterbende Sterne sehr langsam verschiedene Zustände, bis sie zu einem Weißen Zwergstern werden. Oder aber sie explodieren plötzlich in einer hellen Supernova. Möglich sei nun etwa, dass sogenannte "gescheiterte Supernovae" hinter dem Verschwinden steckt. Theorien zufolge könnte ein Stern dabei direkt in ein Schwarzes Loch zusammenfallen.

In ihrer Studie gegen die Wissenschaftler auch auf die Möglichkeit ein, dass außerirdische Zivilisationen hinter den verschwundenen Sternen stecken, denn "Beobachtungen wie diese stellen eine Herausforderung für die Astrophysik dar". Deswegen könne man darüber nachdenken, ob es sich etwa um Hinweise auf sogenannte Dyson-Sphären handelt. Solche – nur theoretisch beschriebenen – Strukturen umhüllen einen Stern vollständig, um alle abgegebene Energie zu absorbieren. Sollte so eine gefunden werden, wäre das ein Beweis für hochentwickeltes, intelligentes außerirdisches Leben. Auch gezielte Laser könnten erklären, warum die ursprünglichen Lichtpunkte sich nicht mehr finden lassen. Gegenwärtig gebe es aber bei keiner der untersuchten Quellen "klare Hinweise auf außerirdisches Leben", ordnet López Corredoira ein.

Das Projekt VASCO habe nun das Potenzial, seltene und extrem variable Objekte zu finden. Damit könnten sie Hinweise liefern auf extrem schnelle Phasen in der Entwicklung eines Sterns, die äußerst schwer zu beobachten seien, ergänzt mit Sébastien Comerón von der Universität Oulu ein weiterer beteiligter Forscher. Das Team überlegt demnach gegenwärtig, wie sie alle 150.000 identifizierten Anomalien so der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen können, dass interessierte Freiwillige bei der Fahndung nach weiteren Exemplaren helfen können. Man wolle das so schnell wie möglich erledigen. Damit könnte etwa ermittelt werden, ob sich verschwindende Sterne in bestimmten Himmelsregionen häufen. Außerdem kündigen sie weitere Analysen der bereits identifizierten 100 Leerstellen an.

[Update 16.12.2019 – 10:20 Uhr] Villarroel forscht am Nordic Institute for Theoretical Physics, die ursprüngliche Angabe wurde korrigiert. (mho)