Linux-Entwickler gegen VMWare

Wer die Nutzung von quelloffenem, unter GPLv2 stehendem Material in Closed-Source-Software verhindern will, muss seine Urheberschaft am Code nachweisen.

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Linux-Entwickler gegen VMWare

(Bild: Michael Bachmann)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Verena Ehrl

Seit März 2015 lag der Linux-Kernel-Spezialist Christoph Hellwig mit VMware, dem weltweit agierenden US-Hersteller von Virtualisierungs- und Cloud-Software, im Clinch. Sein durch die Organisation „Software Freedom Conservancy“ (SFC) unterstützter Vorwurf: VMware habe das Closed-Source-Modul VMKernel, einen wichtigen Bestandteil des zu vSphere gehörenden ESXi 5.5.0, so gestaltet, dass es die Nutzung von Linux-Kernelcode zur Treiberanbindung erschließe.

Es sei, so Hellwig, zwingend mit der von VMware unter GPLv2 freigegebenen ESXi-Komponente vmklinux verbunden. Die wiederum enthält Linux-Kernelcode und bildet die eigentliche Schnittstelle der Virtualisierungsplattform zum Linux-System. Hellwig verlangte von VMware, den Vertrieb der Software in der bisherigen Form zu unterlassen und auch VMKernel unter GPLv2 offenzulegen, außerdem den Linux-Kernelcode aus dem Hypervisor zu entfernen.

Das Landgericht (LG) Hamburg wies die Klage Hellwigs im August 2016 ab, woraufhin er Berufung einlegte. So befasste sich das Oberlandesgericht (OLG) am selben Ort mit der Sache und regte zunächst eine außergerichtliche Einigung an. Diese kam jedoch nicht zustande, sodass Ende Februar 2019 schließlich auch die OLG-Richter Hellwig eine Abfuhr erteilten: Er sei im Ergebnis den Nachweis dafür schuldig geblieben, dass tatsächlich von ihm verfasster Code in das VMKernel-Modul eingeflossen sei.

Angesichts dessen brauchte das Gericht die lizenztechnisch interessante Frage, ob VMKernel und vmklinux tatsächlich untrennbar verbunden waren, gar nicht mehr zu entscheiden. Eine Revision ließen die Richter nicht zu – Hellwig hätte den Weg zum Bundesgerichtshof (BGH) über eine Nichtzulassungsbeschwerde freikämpfen müssen. Darauf verzichtete er.

VMware wiederum wollte nicht als Feind der Open-Source-Community dastehen: vmklinux ist in der aktuellen Version des Hypervisors nicht mehr enthalten.

ESXi ist ein zentraler Bestandteil der Virtualisierungsplattform vSphere von VMware.

(Bild: Michael Bachmann)

Mit seiner Entscheidung hat das OLG Hamburg die Hürde für Ansprüche aufgrund von Bearbeiter- und Miturheberrechten hoch gesetzt.

Eine Bearbeitung nach Paragraf 23 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) erfordert die Erlaubnis des ursprünglichen Urhebers und lässt immer das Ursprungswerk erkennen – so wie bei einem durch kreative Eingriffe veränderten Bild. Eine Miturheberschaft nach § 8 UrhG liegt vor, wenn man zu mehreren ein urheberrechtlich geschütztes Werk schafft. Je stärker ein Miturheber am Schaffensprozess beteiligt ist, desto höher fällt sein Anteil am Urheberrecht aus.

Vor dem OLG hatte Hellwig beide Arten von Rechtserwerb geltend gemacht: VMware habe einerseits Teile des von ihm bearbeiteten Codes für VMKernel genutzt. Andererseits habe er als Miturheber wesentliche und komplexe Beiträge zum Kernel des Linux-Betriebssystems geleistet. Zwischen 2000 und 2004 sei er einer der aktivsten Entwickler am SCSI-Subsystem gewesen. Der SCSI-Hotplug sei eine der Funktionen, die ESXi benutze.

Das Gericht spitzte die Kriterien für die Beweisführung beim Geltendmachen von Bearbeiter-Urheberrechten auf drei Leitfragen zu:

1. Welche Teile aus dem Programm wurden vom Bearbeiter in welcher Weise umgearbeitet?

2. Inwiefern erfüllen diese Umarbeitungen die Anforderungen an ein Bearbeiter-Urheberrecht?

3. Welche von den so geschützten Bearbeitungen wurden konkret übernommen und genutzt?

Der Anspruchsteller muss alles selbst im Detail beweisen – also welche Codepassagen von ihm selbst stammen, warum sie als einzigartig und neu gelten können und schließlich: wo und wie genau der Anspruchsgegner sie genutzt hat. Dabei reicht es dem OLG zufolge nicht, Tabellen und Dateien vorzulegen – die Aufgabe des Gerichts und der Gegenseite sei es nicht, sich gewissermaßen die Beweise selbst zusammenzusuchen oder in Quellen zu recherchieren. Auch das pauschale Angebot eines Sachverständigengutachtens genügte dem OLG nicht.

Ähnlich wertete es die Belege für die behauptete Miturheberschaft. Dateien auf einer vom Kläger eingereichten CD-ROM nannten Autorennamen – das bezog sich dem Gericht zufolge jedoch lediglich auf die Bearbeiter-Urheberschaft der verschiedenen Autoren innerhalb von Linux selbst; ein Vergleich mit dem vmklinux-Code aus dem Programm der Beklagten fehlte. Der Kläger hatte zwar behauptet, einen Quellcodevergleich durchgeführt zu haben, allerdings lag dieser dem Gericht nicht vor.

Nach all dem kann ein Entwickler, der eine Urheberrechtsverletzung angreifen will, gar nicht zu viel dokumentieren. Wenn keine absolut wasserdichte Dokumentation den Weg des fraglichen Codes nachvollziehbar macht, wird ein Unterlassungsanspruch scheitern.


Dieser Artikel stammt aus c't 1/2020 (psz)