Qualcomm Snapdragon 865: Erste Messwerte zeigen teils großes Leistungsplus

Erste Messungen attestieren Qualcomms neuem Smartphone-Prozessor Snapdragon 865 einen deutlichen Leistungssprung. Apple bleibt jedoch die Referenz.

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Qualcomm Snapdragon 865: Erste Messwerte zeigen teils großes Leistungsplus

(Bild: heise online / Patrick Bellmer)

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Dank eines leistungsfähigeren CPU-Parts, einer neuen Grafikeinheit sowie der Unterstützung von schnellem LPDDR5-Arbeitsspeicher soll der Snapdragon 865 deutlich mehr CPU- und GPU-Leistung als sein Vorgänger bieten. Erste Tests, die heise online im Zuge des Snapdragon Tech Summit durchführen konnte, zeigen entsprechende Zuwächse. Vom dem Ende 2018 vorgestellten Snapdragon 855 setzt sich der neue Smartphone-Prozessor ebenso ab wie von der Konkurrenz, die in Android-Smartphones verbaut wird. Apples aktuelles System-on-Chip (SoC) A13 Bionic bleibt jedoch das Maß aller Dinge.

Für die Messungen stand ein "Qualcomm Snapdragon 865 Reference Design“ (QRD) zur Verfügung. Dabei handelt es sich um ein spezielles, von Qualcomm entwickeltes Test-Smartphone auf Basis des Snapdragon 865 sowie einer angepassten Android-Version. Nicht nur letztere kann die Messwerte beeinflussen: Mit 12 GByte LPDDR5-Speicher bietet das QRD mehr Arbeitsspeicher als die meisten Android-Smartphones, sondern auch einen schnelleren Speichertyp. Erste Smartphones mit LPDDR5-Speicher sollen im Laufe des Jahres 2020 verfügbar werden. Zu den weiteren technischen Eckdaten hält Qualcomm sich bedeckt – einzig zum Display (5,9 Zoll, 2880 x 1440 Pixel) und Flash-Speicher (128 GByte) gibt es Angaben.

Das Qualcomm Snapdragon 865 Reference Design bietet neben einem Snapdragon 865 unter anderem 12 GByte LPDDR5-Arbeitsspeicher. In Serien-Smartphones kann hingegen auch langsamerer LPDDR4-Speicher verbaut werden.

(Bild: heise online / Patrick Bellmer)

Im Zuge der Vorstellung des Snapdragon 865 sprach Qualcomm von einem Leistungsplus im Bereich von 25 respektive 20 Prozent für CPU und GPU gegenüber dem Vorgänger Snapdragon 855. Zurückgeführt wird dies unter anderem auf den Austausch des "Prime“- sowie der drei "Performance“-CPU-Kerne (ARM Cortex-A77 statt Cortex-A76), eines mit 4 MByte doppelt so großen Level-3-Caches sowie der neuen GPU Adreno 650, die über 50 Prozent mehr Recheneinheiten verfügt. In welchen weiteren Punkten die Adreno 650 vom Vorgänger Adreno 640 abweicht, ist nicht bekannt. Qualcomm nennt traditionell kaum technische Daten zu seinen Grafikeineiten.

Die ersten Messungen zeigen, dass die von Qualcomm genannten Werte nicht immer zutreffen. In Geekbench 5 erreicht das neue SoC eine Einzel- und Multikernleistung, die 43 und 37 Prozent über der des Snapdragon 855 liegt. Gegenüber dem Kirin 980, der unter anderem im Huawei P30 Pro steckt, fällt die Leistung in beiden Punkten um fast 40 Prozent höher aus. Samsungs Exynos 9825 ist ebenfalls weniger leistungsfähig: Der Snapdragon 865 ist 13 respektive 52 Prozent schneller als das SoC aus dem Galaxy Note 10.

An Apples im Sommer 2018 vorgestellten A12 Bionic reicht Qualcomm aber selbst Ende 2019 nicht vollständig heran, wenn es um die CPU-Leistung geht. Das im iPhone XS verbaute SoC bietet eine um 22 Prozent höhere Einzelkernwertung, kann aber bei Nutzung aller CPU-Kerne nicht mithalten. Anders beim aktuellen A13 Bionic aus dem iPhone 11: Hier liegt das Plus bei 70 und 3 Prozent (Einzelkern und Multikern). Dabei verfügt der A13 Bionic nur über sechs CPU-Kerne, der Snapdragon 865 hingegen über acht.

Größere Schwankungen in Hinblick auf das Plus gibt es bei der Grafikleistung. Ausgehend vom Benchmark GFXBench 5.0.0 fällt die Leistung des Snapdragon 865 zwischen 17 und 47 Prozent höher als die des Vorgängers aus. Samsungs Exynos 9825 und Huaweis Kirin 980 fällen ebenfalls schwächer aus. In beiden SoCs steckt die von ARM entwickelte GPU vom Typ Mali-G76, allerdings unterschiedlichen Varianten (Exynos 9825: Mali-G76 MP12; Kirin 980: Mali-G76 MP10). Diese bewegen sich in etwa auf dem Niveau des Snapdragon 855 (Adreno 640).

In Bezug auf die Grafikleistung bietet aber ebenfalls Apple die schnellste Lösung. Der A13 Bionic rechnet in Geekbench 5.0.0 28 bis 75 Prozent schneller; selbst der ältere A12 Bionic bietet ein Plus von bis zu 43 Prozent.

Benchmarks, die auch den Flash-Speicher und Arbeitsspeicher stärker sowie zusätzlich CPU und GPU belasten, attestieren dem Snapdragon 865 trotz des schnelleren LPDDR5-Speichers teilweise kaum Mehrleistung. So schneidet das neue SoC im PCMark-Test Work 2.0 nur um 4 Prozent schneller als der Vorgänger ab. Gegenüber dem Exynos 9825 liegt das Plus bei 11 Prozent, gegenüber dem Kirin 980 bei 30 Prozent.

Im 3DMark erreicht der Snapdragon 865 ein zwischen 16 und 38 Prozent höheres Ergebnis als der Snapdragon 855. Größer ist der Sprung gegenüber dem zwei Jahre alten Snapdragon 845, den unter anderem Google im Pixel 3 verbaut hat. Hier liegen die Zuwächse zwischen 40 und 62 Prozent. Auf einem vergleichbaren Niveau landen die aktuellen SoCs von Samsung und Huawei. Apples A13 Bionic landet hingegen zumindest ein einigen 3DMark-Einzeltests vor Qualcomms neuem Topmodell.

Neben einem Standardmodus, auf dem alle genannten Werte basieren, bietet der Snapdragon auch einen Perfomance-Modus. Dieser beeinflusst im Wesentlichen zwei Punkte. Einzelne Tasks werden schneller von den "Efficiency"- in die "Prime“- und "Performance“-Kerne verschoben. Außerdem wird der Scheduler getäuscht: Selbst wenn ein CPU-Kern nur zu 80 Prozent ausgelastet ist, wird dem Scheduler volle Last (100 Prozent) gemeldet. Daraus resultiert ein anderes Taktverhalten. Allerdings betont Qualcomm, dass die maximalen Taktraten im Performance-Modus nicht höher als im Standardmodus ausfallen. Ob ein Snapdragon-865-Smartphone den Performance-Modus bietet, hängt vom jeweiligen Hersteller ab.

Erste Messungen bestätigten die Funktionsweise. In CPU-lastigen Tests fielen die Ergebnisse teils über 60 Prozent höher als im Standardmodus aus. Für GPU-lastige Aufgaben kann der Performance-Modus jedoch nachteilig sein. Derartige Benchmarks sprachen teilweise von einer Minderleistung im Bereich von bis zu 5 Prozent.

Wie belastbar die ersten Testergebnisse sind, wird sich erst im Frühjahr 2020 zeigen. Zwar schneiden CPU und GPU des Snapdragon 865 in vielen Bereichen deutlich besser als im Snapdragon 855 ab, entscheidend sind am Ende aber die Anpassungen des jeweiligen Smartphone-Herstellers. Verbaut der statt des schnellen LPDDR5-Speichers nur den günstigeren LPDDR4, schmilzt der Vorsprung in bestimmten Bereichen. Ebenso bleibt abzuwarten, wie das neue SoC in Serien-Smartphones gekühlt wird. Das QRD erwärmte sich unter Dauerlast zwar spürbar, die Ergebnisse blieben aber auch nach mehreren Durchgängen weitestgehend ähnlich. Details zur Kühllösung blieb Qualcomm aber schuldig.

Die Vergleiche mit Apples SoCs zeigen, dass sich die Investition in eigene CPU-Kern-Designs durchaus auszahlen kann – eine Option, die Qualcomm beim Snapdragon 865 nicht mehr zieht. Mit dem aktuellen A13 Bionic kann Qualcomms Topmodell auch deshalb in kaum einem Bereich mithalten und selbst der ältere A12 Bionic enteilt ihm teilweise.

Hinweis: Qualcomm hat den Autor zum Snapdragon Tech Summit eingeladen und die Reisekosten übernommen. (pbe)