Die 750te c't: Titel, Themen, Traditionen

Eine Seite der c’t hat für die Redaktion eine besondere Bedeutung: das Titelblatt. Ausgabe 2/2020 trägt das 750te – ein willkommener Anlass für einen Rückblick.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 35 Kommentare lesen
Titel, Themen, Traditionen
Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Dorothee Wiegand
Inhaltsverzeichnis

In den ersten Jahren der c’t ging es noch recht geruhsam zu. Es gab jeden Monat eine Ausgabe und so hatte die Redaktion satte vier Wochen Zeit, um an einem Heft zu arbeiten. Und schon in den ersten Jahren befasste sie sich mit dem Thema künstliche Intelligenz. „Vorbild Gehirn“ lautet der Ersttitel der Ausgabe 4/1987 zu diesem Thema. Das Bild dazu ist dem c’t Mitbegründer und jetzigen Herausgeber Christian Persson, von 1983 bis 2013 Chefredakteur der c’t, in bester Erinnerung:

„Das Bild zu unserer ersten KI- Titelstory fand ich besonders gelungen. Ein Kopf mit Schaltsymbolen. Das war für die damalige Zeit herausragend – fotografiert, ganz ohne Photoshop.“

Es sollte noch eine ganze Weile so bleiben, dass die Titelbilder fotografiert und nicht wie heute gerendert wurden. „So ein Foto fürs Titelbild zu machen, das dauerte damals oft einen ganzen Tag“, berichtet unser Fotograf Andreas Wodrich. Die Bilder entstanden noch nicht im Verlag, sondern in einem externen Studio. Dort wurde zunächst ein Polaroidbild angefertigt, das der Chefredakteur begutachtete. Erst wenn er einverstanden war, konnte das eigentliche Foto fürs Titelbild gemacht werden.

Im ersten Anlauf kein Volltreffer: Von diesem Titelmotiv wurde zwar ein Polaroid-Probefoto angefertigt, aber zunächst kein finales Foto.

Mitunter lief dabei nicht alles glatt. Peter Siering, heute Ressortleiter Systeme & Sicherheit, beschreibt eines dieser Fotoshootings so: „Ich wurde 1990 als noch frischer Volontär ins Studio in die hannoversche Südstadt geschickt, um die Fotografen bei der Aufnahme des Titelbilds zu unterstützen. Wir drapierten Softwareverpackungen auf dem Studioboden, stellten einen Monitor mit Zielscheibe dazwischen und platzierten einen Pfeil in einem dicken Knubbel Knete, so als wäre er gerade mit einem Bogen verschossen worden. Schließlich wurden noch fotokopierte Geldscheine darüber gestreut. Klingt einfach, dauerte aber Stunden. Zwischendrin gab es Kaffee in der Küche und Selbstgedrehte.“

Als alle endlich beim Blick durch den Sucher der Großformatkamera zufrieden waren, spannte der Fotograf einen Polaroidfilm für den Probeschuss ein. Nach Entwicklung und etwas Feinjustage sollte dann auf das endgültige Titelbild belichtet werden. Diese Bilder kamen damals in ein externes Labor zur Entwicklung und es vergingen Tage, bis sie schließlich zur Montage auf der Druckvorlage wieder in der Redaktion auftauchten. Das Fotoshooting mit der Zielscheibe klappte leider nicht wie geplant: „Fotografen und Unterstützer bauten das Arrangement nach getaner Arbeit wieder ab, um erst dann festzustellen, dass sie zwar ein Polaroid gemacht, den finalen Schuss im Eifer des Gefechts aber vergessen hatten …“, berichtet Kollege Siering.

Heft 4/1997 umfasste stolze 614 Seiten. So konnte es nicht weitergehen. Ende des Jahres erschien dann die erste c’t im 2-Wochen-Rhythmus (11/1997).

Ende der 80er-Jahre gab es fast täglich Neuerungen in der IT – oder wie es damals noch hieß: in der EDV. So wurden die Hefte immer dicker und c’t mancherorts als „Deutschlands dickstes Herrenmagazin“ bezeichnet. Die umfangreichste Ausgabe aller Zeiten war die c’t 4/1997 mit 614 Seiten. Der Verlag reagierte bald darauf mit der Umstellung von einer vier auf eine zweiwöchentliche Erscheinungsweise. c’t 11/1997 war das erste Heft, das im 14-Tage-Rhythmus erschien.

In den frühen 2000er-Jahren standen dann häufiger einmal unerschrockene Kollegen als Covermodell vor der Kamera. Was bei Aufmachern lange Zeit gang und gäbe war – als geiziger Schotte, Sherlock Holmes oder Computervirus verkleidete Kollegen abzubilden –, blieb auf dem Titel aber die Ausnahme. Und das war wohl auch gut so, denn manche dieser Titel-Auftritte blieben nicht ohne Folgen.

Ausgabe 21/2000 brachte einen Flatrate-Test, es ging um „Power-Surfen zum Pauschaltarif “. Auf dem Titel sieht man drei junge Männer auf Surfbrettern, die sich schnittig aus dem Bild auf den Betrachter zu bewegen. Während dieses Heft im Handel war, meldete sich ein Anrufer in der Redaktionsassistenz und fragte, wer denn der vorderste der drei Surfer sei und wie er telefonisch zu erreichen wäre. Nichtsahnend verriet Kollege Martin Triadan Namen und Durchwahl des abgebildeten Kollegen. Dessen Telefon klingelte daraufhin wochenlang immer wieder. Der Anrufer machte ihm Komplimente für seine wunderschönen Füße und bat um Detailfotos dieses Körperteils. Das Ganze endete damit, dass der gestalkte Kollege eine andere Telefondurchwahl bekam. Seitdem gilt in der c’t-Redaktion die Regel, dass Telefondurchwahlen nicht nach außen gegeben werden.

Titelbilder mit Kollegen als Covermodell erhielten zwar mitunter besonders viel Aufmerksamkeit, blieben aber doch die Ausnahme.

Einige Monate später ging es in Ausgabe 8/2001 um „Kino-Sound aus dem PC“. Audio- und Kinotechnikspezialist Nico Jurran testete dafür nicht nur zehn Surround-Lautsprechersets, sondern posierte auch auf dem Titelbild. Schon damals hatte er ein markantes Profil und eine – sagen wir: Ultrakurzhaarfrisur. Das Foto zeigt ihn im Halbprofil mit halb erstauntem, halb begeistertem Gesichtsausdruck und absurd vergrößertem Ohr.

„Die Idee zu dem Titelbild entstand, nachdem mich unser damaliger Chefredakteur Detlef Grell bei den Tests zum Titelthema spaßeshalber ‚Goldöhrchen‘ tituliert hatte“, erklärt der Kollege. Welche Auswirkungen es haben kann, als Covermodell für die c’t zu posieren, durfte Nico bereits am Erscheinungstag des Heftes erfahren: „Als ich auf dem Heimweg in der Straßenbahn saß, las neben mir zufällig ein c’t-Leser diese Ausgabe – und hielt sie dabei so, dass sich das Titelbild direkt neben meinem Kopf befand. Mir wäre das gar nicht aufgefallen, wenn nicht während der Fahrt ein kleiner Junge mit offenem Mund zwischen mir und dem Cover hin- und hergeschaut hätte – wohl um zu prüfen, ob ich tatsächlich so große Ohren wie auf dem Bild habe. Schließlich verkündete er seinem Vater lautstark das Ergebnis seines Vergleichs, woraufhin ich die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Mitfahrer hatte.“

Ersttitel der 25/2001 war „Windows 2001“. Drei Menschen huldigen auf diesem Cover einer Art Hochglanz-Stele, die mit dem Code-Namen der damals neuen Windows-Version, „Whistler“, beschriftet ist. In der Bildmitte sieht man Hans-Jürgen Bernd, den ersten und lange Zeit einzigen technischen Assistenten der c’t. Intern ist dieser Kollege übrigens unsere „Nummer 1“ – in den Unterlagen der Personalabteilung der Heise Medien GmbH wird er nämlich als erster c’t-Mitarbeiter geführt.

Wer ist das nur auf dem Bild? (55 Bilder)

Wer grinst denn da so breit in die Kamera? Es ist ...

Linux war und ist ein wichtiges Thema für c’t. Früher oder später musste da der Wunsch nach Pinguinbildern für Aufmacher und auch für den Titel aufkommen. „Ich wurde in den Zoo geschickt“, berichtet Andreas Wodrich. Der Auftrag lautete: „Fotografier doch mal Pinguine!“ Allerdings erwiesen sich die Zoo-Pinguine als so gesellig, dass der Fotograf keines der Tiere einzeln vor die Kamera bekam.

Erst recht lieferten sie nicht die Posen, die er fotografieren sollte. „Wir haben dann ungefähr ein Jahr lang so einen Plüsch-Pinguin für Aufmacherfotos verwendet. Meist wurde ihm ein Flügel angeklebt und er bekam für das Foto ein Werkzeug darunter geschoben.“ Diese Phase endete, als die Linux-Fraktion in der Redaktion schließlich protestierte. Es musste eine professionellere Lösung her.

Ob aus der Suppentüte purzelnd, witzig verkleidet oder mit Kumpel auf dem Arm – der c’t-Linux-Pinguin ist in allen Varianten ein Hingucker.

Unser langjähriger Artdirektor Thomas Saur erfand die gerenderte c’t-Variante des Linux-Pinguins: Deutlich schlanker und smarter als der typische Plüsch-Tux und unglaublich wandlungsfähig. So purzeln auf c’t 4/2003 ein paar Exemplare aus einer Tütensuppentüte mit der Aufschrift „Sorglos booten in Minuten“ – eines der Lieblingstitelmotive unseres amtierenden Chefredakteurs Dr. Jürgen Rink.

Für dieses Titelbild musste kein Schimpanse leiden – die drei bekamen die Handys nachträglich per Bildbearbeitung in die Pfote gelegt.

Zwei Hefte später saß der Pinguin schon wieder für die „Trends 2003“ in einer Glaskugel auf dem Titel und in der 12/2003 brauste er als Freizeitkapitän durchs Titelbild. Diesen Coverhelden aus dem Rechner kann man praktischerweise in beliebigen Verrenkungen und Verkleidungen darstellen, ohne Ärger mit dem Tierschutz zu befürchten. Anders beim Titelfoto der 14/2001, das drei Affen mit Handys zeigt. Dieses gekaufte und nachbearbeitete Foto rief Tierschützer auf den Plan: Sie vermuteten Tierquälerei während des Shootings – freiwillig hätten die Affen ja wohl kaum telefoniert.

Auf der 6/2010 erschien erstmals das Android-Männchen auf dem Titel. Im Bild pflückt das grüne Kerlchen gerade einen unverkennbar dargestellten, an der rechten Seite angebissenen Apfel von einem Baum. Das Motiv gehört zu den Lieblingstiteln von Johannes Endres, zunächst Redakteur und von 2013 bis 2017 Chefredakteur der c’t: „Das Android-Männchen, das sich nach einem Apple an einem Baum streckte – das war inhaltlich sehr deutlich und nutzte die Möglichkeiten des Männchens erstmals so richtig gut.“

Die schönsten Linux-Tuxe (32 Bilder)

 
(Bild: download )

Beim Durchstöbern alter c’t-Titel lässt sich IT-Geschichte nachvollziehen. c’t 1/1986 – übrigens die erste c’t mit neuem Logo – brachte das Titelthema „Die Sprache C“, über dieser Hauptzeile steht „Konkurrenz für Pascal? Ersatz für Assembler?“ Im Februar 1986 ist noch von „Achtbit-Power“ die Rede, im August 1987 dann schon von einer „32-Bit-Offensive“. Und dass nicht alles immer teurer wird, zeigen Titelzeilen zum Thema Notebooks oder, wie es anfangs oft noch hieß, Laptops. Im August 1989 lauten Titelzeile und Unterzeile dazu beispielsweise „Leichte Laptops, Sieben netzunabhängige PCs unter 5000 DM“ – aus heutiger Sicht nicht gerade ein Schnäppchenpreis.

AMD kontra Intel – das Duell der Prozessorhersteller taucht häufig auf dem Titel auf.

Die Entwicklung der Prozessoren zu beobachten und zu kommentieren gehörte von Anfang an zum Kerngeschäft der c’t. Auf der 16/1999 wird AMDs K7 (Athlon) als „Pentium-III-Killer“ bezeichnet. Auf der 24/2000 heißt es „Intel schlägt zurück – Pentium 4 gegen den Athlon“. Mit jeder neuen Prozessorgeneration ging der Ringkampf in eine neue Runde – der Titel der 13/2002 setzt das Thema vielleicht am schönsten in Szene.

Ein Dauerbrenner auf dem Titel ist „Der optimale PC“. Mit dieser Titelzeile erschien die kombinierte Kaufberatung und Schrauberanleitung erstmals im Dezember 1995 auf dem Heft. In den Folgejahren wurde der jeweils aktuelle optimale PC mal geheimnisvoll verhüllt, mal futuristisch und mal durchsichtig mit Blick ins Innere in Szene gesetzt.

Ob und wie es möglich ist, das Internet zu nutzen, ohne Spuren zu hinterlassen – diese Frage beschäftigte c’t-Leser und -Redakteure schon früh. Auf der 18/2011 titelten wir noch hoffnungsvoll „Anonym im Internet“ und versprachen Tipps, um Datensammler auszutricksen. Zwei Jahre später, nach Edward Snowdens Enthüllungen über Spionagepraktiken von Geheimdiensten, formulierten wir zum selben Thema weit vorsichtiger: „Mythos Anonymität“.

Oktober 2015: Im Nachgang der Recherche rund um den von c’t aufgedeckten Betrug der Dating-Plattform Lovoo wird das c’t-Investigativ-Team ins Leben gerufen. Als erstes Projekt entwerfen die beteiligten Redakteure eine bis dato einzigartige anonyme Schnittstelle (heise.de/investigativ) für Informanten. Mittlerweile erreichen die Redaktion darüber nahezu täglich Leaks und Rechercheanstöße von Whistleblowern, beispielsweise aus IT-Unternehmen.

Immer wieder eine Titelzeile wert: die Ergebnisse investigativer Recherchen. Seit Ende 2015 gibt es dafür das c’t-Investigativ-Team.

Das Team sorgte auch dafür, dass investigative Recherchen und das Aufdecken von Missständen breiteren Raum in c’t einnehmen. Erkennbar wird dies nach außen an der neuen Rubrik „c’t deckt auf “, die es in Ausgabe 5/2018 zum ersten Mal mit der Recherche zu einer spektakulären Abzocke mit Affiliate-Marketing auf den Titel schafft.

Seit Ende 2016 kümmert sich unsere Artdirektorin Nicole Judith Höhne – zusammen mit der gesamten Layoutabteilung – darum, dass aus den Manuskripten der c’t-Redakteure ansehnlich bebilderte Artikel werden. Ihre Lieblings-Titelproduktion ist die von Heft 18/2017 mit dem Titel „Böse und billig: Hacking-Gadgets“. Sie erinnert die Vorbesprechung des Titelmotivs gut, bei der alles so schnell ging: „Da kam der sehr große Kollege Ronald Eikenberg in mein Büro. Er hatte ein sehr kleines Gadget in der Hand, einen USB-Stick. Den hatte er so eingeklappt, dass ich unvermittelt dachte: Das ist doch eine Pistole. Da das Motiv auch inhaltlich trug, war die zumindest nach meiner Zeitrechnung bei c’t wohl schnellste Titelidee geboren – quasi wie aus der Pistole geschossen.“

Diese Idee lag plötzlich auf der Hand: ein USB-Hacking-Gadget, zur Pistole umfunktioniert.

Eine Artikelkategorie sucht man auf den c’t-Titeln vergebens: die Aprilscherze. Ein spezielles Team, der sogenannte Elferrat, kümmert sich jedes Jahr darum, dass die erste Aprilausgabe einen solchen Zu-verrückt-um-wahr-zu-sein-Artikel enthält. „Wir haben die Chefredaktion üblicherweise nicht in die Aprilscherze eingeweiht, aber in der Titelzeilenkonferenz darauf geachtet, dass der Aprilscherz nicht versehentlich auf den Titel kommt. So viel ich weiß, war nie einer auf dem Titel“, berichtet der ehemalige Kollege und Erfinder vieler Scherze, Harald Bögeholz.

Optimaler PC, Intel versus AMD – zu diesen c’t-Kernthemen gesellten sich im Laufe der Jahre neue, in den 2010er-Jahren zunehmend auch gesellschaftspolitische Themen. Es macht zwar immer noch Spaß, einen PC eigenhändig zusammenzubauen, doch in der Regel kauft man Hardware heute von der Stange. Viele Softwareklassiker sind ausentwickelt oder jedenfalls längst nicht mehr so erklärungsbedürftig wie vor 35 Jahren. Dagegen spielen Themen wie DSGVO, Fake News oder E-Health im Alltag und daher auch in der c’t jetzt eine größere Rolle als damals.

Für eine Zeitreise zurück zu den Anfängen gibt es die Erstausgabe der c’t als PDF zum Download. Sie beginnt mit einem Dialog zwischen der neugegründeten Redaktion und einem imaginären Leser. „Ich werde mir die nächsten drei oder vier c’t-Ausgaben vornehmen, danach sprechen wir uns wieder …“ sagt dieser Leser dort zum Schluss. Inzwischen haben Sie, liebe Leser, sich nun insgesamt 750 c’t-Ausgaben vorgenommen. Dafür und auch für Ihr kritisches Feedback dazu möchten wir uns herzlich bedanken!

Alte Titelbilder der c't (19 Bilder)

Dieses additive Brillengestell sieht man in der freien Wildbahn selten. Wer unserem Model tief in die Gläser guckt, erkennt darin ein Selbstporträt des Fotografen.

Dieser Artikel stammt aus c't 02/2020 (dwi)