Verdi kritisiert "prekäre" Arbeitsbedingungen in Facebooks Lösch-Team

Befristete Verträge, Stundenlöhne unter 12 Euro, dichte Leistungskontrollen: Facebooks Content-Moderatoren schuften zu fragwürdigen Bedingungen.

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Facebook-Löschzentrum

Facebooks Löschzentrum in Berlin: befristete Verträge, schmale Gehälter

(Bild: dpa)

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Die Gewerkschaft Verdi übt scharfe Kritik an den Arbeitsbedingungen in Facebooks deutschem Lösch-Team. Die Mitarbeiter am Standort Berlin würden "prekär" beschäftigt, sagte Gewerkschaftssekretär Oliver Hauser im Gespräch mit heise online. Sie könnten bei der aktuellen Mietsituation nur schlecht von ihren Gehältern leben, erhielten in der Regel nur befristete Arbeitsverträge und müssten eine hohe psychische Belastung ertragen.

Das Berliner Löschzentrum wird vom Dienstleister Majorel (ehemals Arvato) im Auftrag von Facebook betrieben. Rund 1000 Angestellte prüfen dort rund um die Uhr Facebook-Posts auf Verstöße gegen die Standards des Netzwerks, wobei sie auch verstörende Videos und Fotos ansehen müssen. "Irgendjemand muss diesen psychisch belastenden Job machen, aber dann müssen wenigstens die Arbeitsbedingungen vernünftig sein", kritisierte der für den Betrieb zuständige Verdi-Sekretär Hauser.

Nach Angaben der Gewerkschaft zahlt Majorel Einstiegsgehälter in Höhe von 24.000 bis 25.000 Euro pro Jahr. Arbeitsverträge würden meist auf ein Jahr befristet und danach zwei Mal um ein halbes Jahr verlängert. Aufgrund der befristeten Jobs hätten die Mitarbeiter mittlerweile schlechte Chancen, "überhaupt eine Wohnung zu finden", sagte Hauser.

Unter den Mitarbeitern seien viele Akademiker mit einem Abschluss aus dem Ausland, der in Deutschland nicht anerkannt werde. "Facebook und Majorel nutzen das aus."

Facebook habe außerdem in mehreren Fällen überraschend Aufgaben eingestellt oder zu anderen Dienstleistern verlagert. Zum Beispiel hätten Ende November acht bis zehn italienischsprachige Mitarbeiter ihren Job verloren, weil Facebook die Moderation des italienischen Marktes aus Berlin abgezogen habe.

Majorel wies die Kritik zurück. Man biete im Bereich Content Moderation ein "attraktives Gehaltspaket, das deutlich über dem Branchendurchschnitt und dem Mindestlohn liegt", sagte eine Sprecherin. Für die Mitarbeiter des Italien-Teams habe man "in Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung sozialverträgliche Lösungen gefunden". Zu den Laufzeiten der Arbeitsverträge wollte Majorel sich nicht äußern.

Im zweiten großen deutschen Facebook-Löschzentrum – beim Dienstleister CCC in Essen – sind die Arbeitsbedingungen ähnlich wie bei Majorel. Neue Mitarbeiter verdienten dort 11,20 Euro pro Stunde, sagte ein Ex-Angestellter gegenüber heise online. Außerdem gebe es auch hier fast ausschließlich befristete Arbeitsverträge. Der Urlaubsanspruch betrage nur 20 Arbeitstage im Jahr.

Außerdem berichtete der Ex-Mitarbeiter von einer ungewöhnlich detaillierten Überwachung der Leistung der Content-Moderatoren. Mit einer von Facebook entwickelten Software könnten Teamleiter jederzeit auf einen Blick sehen, welche ihrer Angestellten gerade arbeiten ("in production"), geschult werden, eine Pause machen oder "unavailable" sind. Den Status "unavailable" vergebe die Software automatisch, wenn ein Mitarbeiter acht oder neun Minuten lang die Maus nicht bewegt und nichts auf der Tastatur eingegeben habe.

Darüber hinaus werde die Anzahl der Moderations-Entscheidungen kontinuierlich überwacht sowie durch Stichproben auch eine Fehlerquote ermittelt. Ein zweiter Ex-Mitarbeiter bestätigte die Angaben.

Aus Sicht der Berliner Beauftragten für den Datenschutz wäre die geschilderte Überwachung rechtlich zumindest fragwürdig. Arbeitgeber dürften die Leistung von Mitarbeitern zwar "in gewissem Umfang" überprüfen, doch es dürfe nicht zu einer Totalüberwachung kommen, die den Beschäftigten keinerlei Freiräume mehr bietet. Darauf deute bei dem geschilderten System "einiges hin", sagte ein Sprecher der Behörde.

Screenshot der Arbeitszeitkontrolle bei einem Facebook-Dienstleister: Teamleiter sehen auf einen Blick, was ihre Angestellten gerade tun

CCC bestätigte auf Anfrage, dass das Einstiegsgehalt bei 11,20 Euro pro Stunde liegt. Darüber hinaus gebe es "umfangreiche Zulagen wie z.B. Wochenend-, Feiertags- und Nachtschichtzulagen". Man überschreite dadurch den Mindest- und Branchenlohn "deutlich". Zur Leistungskontrolle äußerte das Unternehmen sich nicht.

Auch Facebook betonte auf Anfrage, dass die Bezahlung der Mitarbeiter deutlich über Branchenschnitt und Mindestlohn liege. Außerdem mache man den Mitarbeitern keine Vorgaben hinsichtlich der zu prüfenden Beiträge in einer bestimmten Zeitspanne. "Das Wohlergehen aller Mitarbeiter und die Qualität ihrer Arbeit sind ein wichtiges Thema für uns, an dem wir kontinuierlich arbeiten", sagte ein Sprecher. (cwo)