Einheitliche (Handy-)Ladegeräte: Die EU kommt nicht in die Strümpfe

Die EU lässt sich von der Industrie bei der Pflicht zu USB-C-Netzteilen ausbremsen.

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USB-Netzteile

USB-Netzteile

(Bild: c't/Christof Windeck)

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Der De-Facto-Standard zum Laden von Smartphones, Tablets und kompakten Notebooks ist heute USB Typ C, kurz USB-C. Mit der Pflicht für USB-C-kompatibles Laden ließe sich viel Elektronikschrott vermeiden, wenn die Hersteller keine eigenen Ladegeräte mehr beilegen und Verbraucher ihre vorhandenen Ladegeräte für mehr Geräte – und auch länger – nutzen.

Doch die EU kommt mit der Einführung verpflichtender USB-C-Ladetechnik nicht voran, obwohl sie seit Jahren daran arbeitet. Die Hardware-Hersteller, etwa Apple, wehren sich gegen die USB-C-Pflicht.

Zwar wird auch eine USB-C-Pflicht die Maximalforderung "ein Ladegerät für Alles" nicht erfüllen können, weil die Anforderungen je nach Gerät und Nutzungsweise zu verschieden sind. Ein möglichst kleines, leichtes Ladegerät liefert 10 bis 15 Watt und eignet sich damit nicht für den Betrieb eines Notebooks. Umgekehrt nimmt man das schwerere Notebook-Ladegerät nicht auf eine Wandertour als Smartphone-Lader mit.

Doch eine USB-C-Pflicht für in der EU verkauften Geräte mit beispielsweise bis zu 60 Watt Ladeleistung (20 Volt/3 A) würde schon viele Bereiche abdecken, vor allem die Abermillionen Smartphones, die jedes Jahr gekauft werden.

Am gestrigen Montag stand das "Einheitliche Ladegerät für Mobilfunkgeräte" auf der Tagesordnung der Sitzung des Europäischen Parlaments. Die Abstimmung wurde aber vertagt.

Netzpolitik.org hatte zuvor versucht, die Ergebnisse einer Studie zum Thema von der Europäischen Kommission auf Basis des EU-Informationsfreiheitsgesetzes einzufordern, bekam aber nur Informationen, die größtenteils geschwärzt waren.

USB-C-Stecker und USB-C-Buchse

Einer der Zankäpfel ist die Haftung für Schäden, die fehlerhafte USB-C-Netzteile an den zum Laden angeschlossenen Geräten auslösen könnten. Das droht etwa, wenn das USB-C-Netzteil höhere Spannungen liefert, als das Gerät verträgt – und für Schnellladefunktionen wie Qualcomm Quick Charge und USB Power Delivery (USB PD) sind Spannungen bis zu 20 Volt spezifiziert. Sehr einfache und ältere Geräte verkraften hingegen nur die klassische USB-Spannung von 5 Volt. Das Verfahren, mit dem die Lade- und Endgerät miteinander höhere Spannungen aushandeln, muss daher richtig implementiert sein.

Die Industrievereinigung USB Implementers Forum (USB-IF) schlägt vor, dass kompatible und zertifizierte USB-C-Lader ihre Zertifizierung mit dem kryptografischen Signaturverfahren USB Type-C Authentication (USB-C Auth) digital nachweisen. Doch bisher sind wohl noch keine USB-C-Ladegeräte mit USB-C Auth auf dem Markt.

Für USB-C-Ladegeräte stehen bereits die internationalen Normen IEC 62680 und IEC 63002 bereit. Trotzdem sieht der Handelsverband Digitaleurope keine nennenswerten Vorteile einer Pflicht für einheitliche USB-C-Ladegeräte.

Laut der mehr als 50-seitigen Studie "Study on the Common Charger 2.0" erwartet Digitaleurope keine nennenswerte Entkopplung der Verkäufe von Smartphones und Ladegeräten (Kapitel 10). Und falls eine Pflicht für USB-C-Ladegeräte auch für Tablets und Notebooks käme, drohen demnach sogar negative Auswirkungen für Verbraucher und Umwelt (Kapitel 11). Außerdem weist die Studie darauf hin, dass immer wieder gefährliche USB-Ladegeräte in der EU-Datenbank "Rapex" für gefährliche Produkte auftauchen.

Ältere 5-Volt-Netzteile mit MicroUSB-Stecker liefern oft nur 2,5 bis 10 Watt (0,5 bis 2 A). Sie können mit billigen Adaptern aber auch viele Geräte mit USB-C-Eingang laden, allerdings langsam. Umgekehrt lassen sich Geräte mit MicroUSB-Eingang via Adapter auch aus USB-C-Ladegeräten speisen. Die sind alle in der Lage, auch nur 5 Volt zu liefern. (ciw)