Fokus Überwachung: Jeder kontrolliert jeden

Mit Big Data wollen immer mehr Firmen ihre Angestellten durchleuchten und zu ­besseren Leistungen animieren. Wie zweifelhaft die Methoden sein können, zeigte jüngst eine Studie über das Berliner Online-Versandhaus Zalando.

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Überwachung: Jeder kontrolliert jeden

(Bild: Shutterstock)

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Ende November wurde bekannt, dass Zalando Tausende Mitarbeiter mit dem Analysesystem Zonar überwacht. Anschließend ging ein Aufschrei durch die Politik. So mache Digitalisierung trotz ihrer Chancen für bessere Arbeit "den Menschen Angst", monierte Norbert Walter-Borjans, seit ­letztem Dezember Co-Parteichef der SPD. "Wir empören uns darüber, dass in China das Wohlverhalten der Bürger erfasst wird", gab der Ex-Minister zu bedenken. Dabei halte parallel "das System von Beobachtung, Kontrolle und Bewertung Einzug in die heimische Arbeitswelt".

Als "übergriffig, arbeitnehmerfeindlich und datenschutzrechtlich höchst problematisch" rügte auch ­Stefanie Nutzenberger von der Gewerkschaft Verdi die neue Form "der digital gestützten Leistungskontrolle".

Ausgelöst hat die Kritik eine von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie des Berliner Soziologieprofessors Philipp Staab und seines Mitarbeiters Sascha-Christopher Geschke. Sie beschreiben darin Zonar auf Basis von Gesprächen mit zehn Zalando-Angestellten als "sehr umfassendes, quasi panoptisches System der Leistungskontrolle". Es bestünden große Zweifel, ob der Datenschutz eingehalten werde.

Zonar ist laut der Untersuchung ein firmeninternes Pendant zu den Bewertungs- und Empfehlungsmechanismen, die den Online-Handel groß gemacht haben. In diesem Fall sind es ­jedoch nicht die Kunden, die ein Produkt einschätzen, sondern die Beschäftigten evaluieren sich gegenseitig.
An dem Werkzeug von Zalando bündeln sich Dynamiken der gegenwärtigen Arbeitswelt wie unter einem Brennglas. Im Kern geht es darum, Mitarbeiter permanent bewerten, kontrollieren und sanktionieren zu können. Das Programm ist vom Prinzip her Teil eines größeren Segments innerhalb des Marktes für Unternehmenssoftware, das als People oder Workforce Analytics bekannt ist. In diesem Bereich tummeln sich verschiedenste Hersteller feedbackbasierter Evaluierungssoftware, über deren Reichweite innerhalb des deutschen Arbeitsmarktes laut der Zonar-Analyse keine genauen Daten vorliegen. Eingesetzt werden Strategien und Instrumente, die in unterschiedlichen Unternehmensfeldern hilfreich sein sollen, etwa beim ­Festlegen von Firmenzielen, bei Personalentscheidungen, Fortbildungen, beim Management und bei der Teampflege.

Fragen, die Firmen mit People Analytics beantworten ­wollen, lauten beispielsweise: Welche Charakteristika zeichnen die besten Arbeitskräfte aus? Welche gemeinsamen Merkmale hatten besonders gute Mitarbeiter, die wieder gekündigt haben? Ist ein Bewerber der Richtige?

(jle)