Vier Prinzipien für digitale Souveränität

Offene Schnittstellen nutzen nicht nur der Gesellschaft, sondern auch der Wirtschaft. Trotzdem blockiert die Regierung sie.

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Vier Prinzipien für digitale Souveränität

(Bild: Gorodenkoff / Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter H. Ganten

Ganten ist Geschäftsführer der Univention GmbH und Vorsitzender der Open Source Business Alliance.

Auf dem diesjährigen Digitalgipfel Ende Oktober in Dortmund herrschte Einigkeit darüber, dass Bürger, Staat und vor allem kleine und mittelständische Unternehmen vor den Internetplattformen aus Asien und Amerika geschützt werden müssen. In praktisch allen Publikationen des Gipfels tauchte der Begriff „digitale Souveränität“ auf. Konsens war auch, dass wir dazu eigene, an europäischer Ethik und Aufklärung ­ausgerichtete Regeln brauchen.

Die Digitalpolitiker der Großen Koalition sehen das ebenfalls so: Im Programm der SPD-Vorstandskandidatin Saskia Esken und im Entwurf der ­Digitalcharta der CDU finden sich weitgehend die gleichen ­Forderungen.

Trotzdem blockiert die Regierung regelmäßig die Versuche der Opposition, diese Prinzipien gesetzlich zu verankern, zuletzt am 18. Oktober bei der Ablehnung eines entsprechenden Antrags der Grünen.

Wir brauchen aber ein explizites, verbindliches politisches Bekenntnis zu den vier Grundprinzipien der digitalen Sou­veränität. Denn diese Prinzi­pien sind die Voraussetzung für ­Sicherung und Fortentwicklung unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaften im Digitalen. Sie sichern Privatsphäre, vertrauenswürdige Kommunikation und Innovationsfähigkeit von Staat und Wirtschaft.

Erstens müssen Einzelpersonen oder Organisationen das Recht haben, in der Cloud erzeugte Daten in einem von ihnen bestimm­ten System zu speichern. Wer zum Beispiel einen Kartendienst nutzt, soll seine Standortdaten in einen Speicher seiner Wahl kopieren können. Und Patienten müssen das gleiche Recht etwa für die Speicherung von Tomografiedaten haben. So schaffen wir nicht nur mehr Kontrolle über Daten, sondern auch Innovationspotenziale.

Denn dann kann, wer Services auf der Basis der Standortdaten anbieten oder wer ein medizinisches Forschungsprojekt durchführen will, die notwendigen Daten ohne Einwilligung von Kartendienst oder Krankenhaus erhalten. Stattdessen entscheiden die Nutzer, wer ihre Daten verwenden darf.

Zweitens muss der Staat auf offene Standards und Open-Source-Software setzen. Nur dann kann die Funktionsweise von Software geprüft, nur dann kann sie unabhängig vom Hersteller verändert werden.

Drittens müssen bei der Entwicklung von Cloud-Services jene Systeme gefördert werden, die sich an den Grund- und ­Erfolgsprinzipien des Internets orientieren: Also offene Sys­teme, die ohne die Einwilligung einer zentralen Instanz mit­einander verbunden werden können. Solche Systeme ermög­lichen mehr Kontrolle über eigene Daten und bewahren trotzdem noch die Chancen der großen Plattformen.

Viertens müssen wir mehr für Bildung und Ausbildung tun: Nur mit kompetenten Menschen werden wir in der Lage sein, die Risiken der Digitalisierung zu beurteilen, uns entsprechend zu verhalten und eigene Innovationen voran­zutreiben.

Ein klares Bekenntnis zu diesen Prinzipien würde Wirtschaft und Verwaltung Standards und Ziele vorgeben, damit die Digitalisierung nicht nur schneller und agiler, ­sondern gemeinsam im Sinne der Menschen vorangetrieben werden könnte. Das würde auch zu Produkten führen, die weltweit gute Erfolgsaussichten hätten – denn Selbstbestimmtheit, Innovations­fähigkeit und Souveränität sind auch in anderen Ländern von elementarem Interesse.

(bsc)