Neue Maßstäbe bei Paketstationen

Triste Warteatmosphäre in der Postfiliale oder hippe Design-Paketstation: Was hilft dem Retouren-Wahnsinn Einhalt zu gebieten?

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Nicht selten kommt es vor, dass ich meine online bestellten Waren nicht bequem zuhause entgegennehmen kann. Dann steht der Weg zur Postfiliale an: Eingereiht in die lange Warteschlange, das teiggelbe Linolium unter den Füßen, die lieblosen Regale mit Versandutensilien passieren und von den Neonleuchten kränklich bestrahlt, hoffe ich, dass ich weder Personalausweis noch den Abholschein vergessen habe. Wie schön wäre es, in angenehmerer Atmosphäre auf meine Lieferung zu warten? Vielleicht sogar mit einem Kaffee in der Hand?

In Helsinki wird mein Traum offenbar gerade wahr. Mit der programmatischen Bezeichnung "Box" hat das Designstudio Fyra im Auftrag der finnischen Post eine Paketstation eröffnet, die neue Maßstäbe beim simplen Paket-Abholen setzt. Auf 1.100 Quadratmetern verbindet das Geschäft die Abholung, das Auspacken und Entsorgen von Verpackungsmüll, das Anprobieren und das Retour-Senden. Die Einrichtung trägt den Fingerabdruck eines farbenfrohen, aber doch aufgeräumten Designs. Es stehen 600 Schließfächer bereit, ein „Un/Boxing“-Bereich und Showflächen, damit tätige Influencer gleich vor Ort Unboxing-Fotos und Videos machen können. Bei der Recycling-Station können abgegebene Verpackungen weitergenutzt werden. Umkleiden stehen auch zur Verfügung, genauso wie ein in rosa gehaltener Tresen, um die nicht-passende bestellte Kleidung gleich wieder auf ihren Heimweg schicken zu können. Auf kleinen Sofas kann man sich danach ausruhen.

Das Portal e.tailment berichtet über die neue Paketstation und preist sie sogleich als Lösung "(fast) aller Retouren-Sorgen". Das erscheint mir schleierhaft. So gern ich auch die Warteatmosphäre der tristen Postfilialen eintauschen würde, so wenig zielführend finde ich es, den Kunden, das Retouren-Senden noch einfacher zu machen. Ich seh‘ es schon vor mir: Angehende Internet-Sternchen holen ihr Paket mit den neuesten It-Pieces ab, inszenieren sich in der heimligen Umgebung des Box-Geschäfts und – Zack! Geht die Kleidung wieder zurück.

Dass Online-Händler mit großen Retouren-Quoten zu kämpfen haben, ist kein Geheimnis. Die Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg schätzte, dass die Deutschen allein im Jahr 2018 490 Millionen Artikel wieder zurückschickten. Sie schlagen, einheitlichere Größenangaben der Hersteller und funktionierende Online-Größenberatung vor, um dem Einhalt zu gebieten. Dass letztere auch noch seine Macken hat, hat TR-Autorin Susanne Donner für uns mal getestet. Letztlich würden wahrscheinlich nur Rücksendegebühren Abhilfe schaffen – ein hübsch designter Retouren-Hotspot trägt dagegen vermutlich wenig dazu bei, die Quoten zu senken.

(jle)