Kollateralschaden

Das Wuhan-Virus zeigt uns eindrücklich die Macht der Viren. Auch wenn sie radikal ist – die Reaktion der Chinesen ist aus infektiologischer Sicht die Richtige.

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Es hat noch nicht einmal einen richtigen Namen, das Virus, das uns gerade zeigt, dass wir Infektionskrankheiten mitnichten im Griff haben. Noch vor kurzem war die Impfpflicht gegen Masern ein nationaler Aufreger - nicht zwingen, sondern überzeugen müsse man Impfverweigerer. Wie mächtig diese winzigen Dinger tatsächlich sind, was sie anrichten, wenn sie ihren neuen Wirt – den Menschen – noch nicht so gut kennen und dass Überzeugen ein Luxus ist, zeigt sich in China gerade sehr eindrücklich.

Dabei sind sie nicht einmal Lebewesen. Sie werden von Forschern einfach „Partikel“ genannt. Dass derzeit in China über 360 Menschen gestorben, 17.000 erkrankt sind und über 20.000 unter dem Verdacht stehen, das Virus in sich zu tragen, ist – aus Sicht dieser Teilchen – lediglich ein Kollateralschaden auf dem Weg zur Anpassung an ein neues Wirtssystem. Viren wollen nicht töten, sondern sich vermehren und verbreiten. Wenn sie dabei so radikal vorgehen, dass ihr Wirt stirbt, ist das für die Viren ein Misserfolg. Es ist jedoch das, was geschieht, wenn Viren Artgrenzen überspringen. Sie kennen das System Mensch nicht und töten, statt sich wie bei einem Schnupfen effektiv zu verbreiten.

Nur wie reagiert man auf ein irrlichterndes Virus? Wie managt man die Angst der Menschen davor? Wie verhindert man eine Pandemie? Nach der klassischen Infektionslehre hat China vieles richtig gemacht: Abriegeln, isolieren, das Virus aushungern. Nur hungert es sich in Millionenstädten nicht schnell aus und die Intention der chinesischen Regierung bei den Maßnahmen zu beurteilen, führt aus westlicher Sicht schnell in das Reich der Spekulation. Die Maßnahmen, mit denen die Zentralregierung in Peking das Virus bekämpft, sind jedenfalls beispiellos und wohl auch nur in diesem Land realisierbar.

Zumindest wäre es bei uns nicht möglich, ganze Landstriche abzuriegeln, Millionen de facto unter Quarantäne zu stellen und innerhalb von zehn Tagen ein Krankenhaus mit 1000 Betten aus dem Nichts hochzuziehen. Ob es dabei um Machterhalt geht oder um Menschenleben sei dahingestellt. Es ist jedenfalls das Einzige, was man in Zeiten der Pest tun konnte, es ist das Einzige was man heute tun kann und es schützt den Rest der Welt – solange es keinen Impfstoff gibt. Und selbst wenn es in Kürze gelingen sollte, einen Impfstoff gegen das Virus zu entwickeln, muss dieser erst einmal millionenfach produziert werden. Dabei vergehen Monate.

Wie schwierig – nahezu unmöglich – es ist, eine Pandemie (also die weltumspannende Form der lokalen Epidemie) zu verhindern, kann jeder selbst ausprobieren. Der Virologe Ab Osterhaus – der in den Niederlanden den Beinamen „Der Virenjäger“ trägt – wurde international bekannt durch seine Forschung an SARS und der Vogelgrippe, dem Influenza-A-Virus H5N1 und hat 2009 mit seinem Team von der Erasmus-Universität Rotterdam das Online-Spiel „The great flu“ entwickelt, mit dem man mit einem Budget von zwei Milliarden Euro versuchen kann, eine Grippe-Pandemie einzudämmen. Es stehen verschiedene Viren zur Auswahl – ich empfehle das Broadway-Virus. Es kommt dem Wuhan-Virus recht nah.

(jsc)