Streaming-Revolte: Deutsche Musikgrößen fordern nutzerbasierte Abrechnung

Helene Fischer, Westernhagen & Co. plädieren dafür, die über Audiostreaming erzielten Einnahmen gerechter auf Basis der tatsächlichen Musiknutzung zu verteilen.

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Streaming-Revolte: Deutsche Musikgrößen fordern nutzerbasierte Abrechnung

(Bild: Kristian Schuller / Universal Music)

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Manager, Musikverlage und Anwälte von erfolgreichen Musik-Stars wie Helene Fischer, Marius Müller-Westernhagen, Sarah Connor, Herbert Grönemeyer, Peter Maffay, Robin Schulz und Andreas Bourani haben eine Initiative gestartet, um die dank Audiostreaming wieder stärker sprudelnden Einnahmequellen gerechter unter den Künstlern aufzuteilen. Laut einer heise online vorliegenden Erklärung macht sich die Allianz unter dem Motto "Fair Share" dafür stark, die übliche anteilige Abrechnung durch ein nutzungsbasiertes System zu ersetzen.

Die meisten Abonnenten von Spotify & Co. gingen davon aus, dass sie beim Audiostreaming "für die Musik zahlen, die sie tatsächlich hören", erklärt die Sprecherin der Initiative, Gaby Allendorf, die unter anderem Maffay vertritt. Momentan kämen die von den Kunden gezahlten Gebühren aber in einen großen Topf. Der Gesamtanteil für künstlerische Leistungen werde dann nach einem von den Streaming-Anbietern selbst festgelegten Schlüssel aufgeteilt. Dieser begünstige diejenigen Künstler überproportional, "deren Musik relativ betrachtet am häufigsten gehört wird".

Eigentlich dürften die Branchengrößen gegen dieses "Pro Rata"-Modell wenig einzuwenden haben, da sie damit als oft gestreamte Musiker "satte Zuschläge on top" erhalten, wie es Allendorf ausdrückt. Doch offenbar stört sie, dass "der musikalische Nachwuchs kaum mehr eine Chance hat, mit Musik Geld zu verdienen", erläutert die Künstlermanagerin. Das gelte "gleichermaßen für Sänger, Texter und Komponisten", was die Vertreter der Stars ändern wollten.

Es gehe um "Transparenz, Fairness und kulturelle Vielfalt" und damit um eine "weitaus größere Dimension" als eine rein wirtschaftliche Komponente, unterstreicht das Bündnis. Die Branche habe sich bisher auch einem kulturellen Auftrag verpflichtet gesehen und "nicht nur Nachwuchstalente" gefördert, "sondern auch Musik jenseits des Mainstreams" und "für bestimmte Zielgruppen".

Konkret lautet der Appell an die Streaming-Dienste und die Musiklabels, auf das User Centric Payment System (UCPS) umzustellen, für das sich auch der französische Anbieter Deezer starkmacht. Rufe also jemand im Rahmen seiner monatlichen Flatrate die Songs von Künstler A,B und C ab, so solle der auf künstlerische Leistungen entfallene Anteil seiner Abo-Gebühr auch nur auf genau diese aufgeteilt werden, führt Allendorf aus. Generell dürften die Abrechnungen aus Streaming-Erlösen nicht länger "ein Buch mit sieben Siegeln" bleiben.

Audio-Streaming hat sich 2019 als umsatzstärkstes Format im deutschen Musikmarkt fest etabliert. Laut dem Bundesverband Musikindustrie (BVMI) knackte die Zahl der getätigten Musik-Streams im vergangenen Jahr mit 107 Milliarden Abrufen erstmals die 100-Milliarden-Marke. Im Vorjahr generierten die Deutschen noch 79,5 Milliarden, 2017 erst rund 56,4 Milliarden Streams. Im ersten Halbjahr 2019 stiegen die Gesamtumsätze der Branche so auf 783,2 Millionen, was nach einer langen Durststrecke einem Plus von knapp 60 Millionen Euro beziehungsweise knapp acht Prozent entsprach.

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Musikstreamer Deezer möchte die Zahlungen an Rechteinhaber neu strukturieren. Die Abogebühren jeden Hörers würden entsprechend seines Hörverhaltens ausgeschüttet, ohne Berücksichtigung anderer User. Das würde auch Streaming-Betrug erschweren.

Von den rund zehn Euro, die ein gängiges Streaming-Abo kostet, bleiben laut Branchenangaben etwa 30 Prozent direkt bei den Anbietern. An die Plattenfirmen geht ein vergleichbar großes Stück vom Kuchen, auch Musikerverlage, Bezahldienste und das Finanzamt halten die Hand auf, sodass bei den Sängern und Bands oft nicht mehr als circa 80 Cent ankommen.

Angesichts der neuen Initiative sprach die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung bereits von einem "Aufstand der Stars". Die Künstlervertreter hatten demnach die Forderungen auch schon im Dezember an Spitzenmanager der vier führenden Plattenfirmen Universal, Sony, Warner und BMG verschickt und diese zu einem runden Tisch im Februar geladen. Die Reaktion soll aber verhalten gewesen sein, da es wettbewerbsrechtliche Bedenken gebe und der UCPS-Ansatz als zu kompliziert gelte.

Bei dem alternativen Modell ist die Zahl der Hörer entscheidend, nicht die der Streams. Die Initiative erhofft sich dadurch auch einen Hebelpunkt, um Manipulationen aufzudecken und zu unterbinden. Bei "Pro Rata" könne leicht manipuliert werden: "Es gibt Kunden, die einige hundert Mal pro Woche denselben Musiktitel streamen", heißt es aus dem Expertenkreis. "Da muss die Frage erlaubt sein, ob das noch normale Alltagsgewohnheiten von Fans sind oder ob vielleicht ganz andere Motive dahinter stecken." Es gebe sogar Hinweise darauf, dass Streamings illegal en bloc gekauft oder mittels sogenannter "Klick-Maschinen" automatisch generiert würden, was den Wettbewerb verzerre und ein falsches Bild von der hiesigen Musikkultur erzeuge. (olb)