Das steckt hinter dem Streit um USB-C-LadegerÀte
Das EU-Parlament will Smartphone-Hersteller verpflichten, USB-C-Ladebuchsen einzubauen, doch die wehren sich. cât beleuchtet Vor- und Nachteile der Verordnung.
Eins fĂŒr alle, also ein einziges Netzteil fĂŒr sĂ€mtliche MobilgerĂ€te: Darauf hoffen viele Nutzer, um ihren Wust aus LadegerĂ€ten und Adapterkabeln auszumisten. Das EU-Parlament stimmte am 30. Januar mit einer 88-Prozent-Mehrheit dafĂŒr, dass die EuropĂ€ische Kommission bis Mitte 2020 verpflichtende Regelungen fĂŒr einheitliche Ladebuchsen verabschiedet.
Diese Ănderung der EU-FunkgerĂ€terichtlinie (Radio Equipment Directive/RED) ist schon seit Jahren in Arbeit. Doch die Handy-Hersteller halten dagegen: Der Industrieverband Digitaleurope erwartet kaum Vorteile und Apple warnt sogar vor Nachteilen fĂŒr die Verbraucher. Demnach könnte ein USB-C-Zwang kĂŒnftige Innovationen bremsen.
Weniger Elektroschrott
Die BefĂŒrworter von âCommon Chargersâ in der EU hoffen, dass einheitliche LadegerĂ€te das Wachstum der Elektroschrottberge bremsen. Denn bei neuen Smartphones und âĂ€hnlichen GerĂ€tenâ â beispielsweise Tablets â sollen keine LadegerĂ€te mehr im Karton liegen. Stattdessen sollen Verbraucher bereits vorhandene verwenden oder selbst eines kaufen. USB-C bietet dabei den Vorteil, dank âUSB Power Deliveryâ (USB-PD) höhere Leistungen fĂŒr schnelles Laden und kompakte Notebooks zu liefern. USB-PD könnte obendrein das Gewirr an proprietĂ€ren Schnellladetechniken auslichten, USB-PD 3.0 ist beispielsweise kompatibel zu Qualcomm Quick Charge 4 und 4+.
Schon 2009 hatte es eine Ăbereinkunft (Memorandum of Understanding, MoU) zwischen der EU und Smartphone-Herstellern gegeben, in der man sich auf Micro-USB-Buchsen einigte. Apple war mit im Boot, denn auch optionale Adapter waren erlaubt. Hatten zuvor noch viele GerĂ€te Rundstecker oder Mini-USB-Buchsen, bewegte sich der Markt tatsĂ€chlich in Richtung Micro-USB. Doch der Erfolg war nicht von Dauer, weil das MoU 2014 auslief und weil Micro-USB-Buchsen nur fĂŒr 1,5 A Strom ausgelegt sind, was nicht fĂŒr Schnellladefunktionen reicht. AuĂerdem hat Micro-USB zu wenige Kontakte fĂŒr schnelle USB-3.0-Transfers, DisplayPort oder HDMI.
Haftungsfragen bei inkompatiblen Netzteilen
Vor allem gibt es aus Sicht der GerĂ€tehersteller ein Problem, das viele Nutzer unterschĂ€tzen: Die Haftung bei SchĂ€den. Die Pflicht fĂŒr einen bestimmten Ladestandard bedeutet, dass KĂ€ufer ihre GerĂ€te mit einem beliebigen kompatiblen Netzteil laden dĂŒrfen. Nimmt das Smartphone dabei Schaden, liegt die Verantwortung zunĂ€chst einmal beim jeweiligen Hersteller â selbst wenn ein Billig-Netzteil der Verursacher war. Liefert der Smartphone-Hersteller jedoch ein LadegerĂ€t mit, wĂ€lzt er bei Reklamationen leicht die Schuld ab: âRufen Sie doch erst einmal beim Netzteil-Hersteller an.â
Schnellladefunktionen erhöhen das Risiko von SchĂ€den, weil das Netzteil dabei nicht mehr einfach nur 5 Volt Gleichspannung liefert. Stattdessen handeln Netzteil und Smartphone bis zu 20 Volt aus. Gibt es dabei Fehler, drohen teure SchĂ€den. USB PD ist zudem fĂŒr bis zu 100 Watt Speiseleistung ausgelegt (20 V/5 A): DafĂŒr sind elektronisch markierte Kabel mit einem winzigen Chip im Stecker nötig. Der verrĂ€t dem Netzteil, wie viel Strom das Kabel vertrĂ€gt. GefĂ€lschte Kabel können dabei Defekte verursachen, das ist praktisch nachgewiesen.
Noch genaueres Zusammenspiel zwischen Netzteil und Smartphone verlangt die USB-PD-3.0-Funktion âProgramm-able Power Supplyâ (PPS), dank der sich die Akku-Ladeschaltung im Handy vereinfachen lĂ€sst. Per PPS passt das Netzteil je nach Ladestand Spannung und Strombegrenzung sehr fein an.
Vorreiter Apple mit Lightning
Mit Lightning löste Apple ab 2012 die Micro-USB-Probleme: Ein verdrehsicherer, kompakter Stecker, der höhere Ströme vertrĂ€gt und mehr Kontakte hat. Die Industrievereinigung USB Implementers Forum (USB-IF), die USB-Spezifikationen erarbeitet, verabschiedete erst 2014 den technisch Ă€hnlichen Standard fĂŒr âUSB Type Câ (kurz USB-C). Der hat sich freilich rasch verbreitet, bei neuen Android-Smartphones dringt Google auch darauf. Sogar Apple nutzt USB-C, aber nicht beim iPhone, sondern beim iPad Pro sowie bei MacBooks.
Ein Sprecher des USB-IF hat kĂŒrzlich Verantwortung fĂŒr die schleppende EinfĂŒhrung von USB-C eingerĂ€umt: Apple habe seinerzeit auf einen neuen Stecker gedrĂ€ngt, aber die USB-IF-Mitglieder re-agierten zögerlich. Das habe dazu beigetragen, dass Apple Lightning als proprietĂ€re Schnittstelle auf den Markt brachte.
Krypto-Lösung USB-C Auth
Mit dem Zertifizierungsprogramm âMade for iPhoneâ (MFI) hĂ€lt Apple dabei Probleme durch inkompatibles Zubehör und GerĂ€teschĂ€den im Zaum. Adapter und Kabel mit MFI-Logo werden vor dem Verkauf durch Apple ĂŒberprĂŒft. Kritiker monieren allerdings, dass Apple damit auch die Preise hochtreibt: Apples Lightning-HDMI-Adapter kostet satte 46 Euro, ein USB-C-HDMI-Adapter weniger als 20 Euro.
Mit USB Type-C Authentication (USB-C Auth) steht seit Jahren eine Spezifikation bereit, mit der sich USB-C-Netzteile ĂŒber kryptografische Zertifikate ausweisen können: Ein Smartphone oder Notebook lĂ€sst sich dann nur mit solchen Netzteilen (schnell-)laden. Vorbild ist auch hier Apple: Auch in Lightning-Adaptern stecken winzige Chips, die digitale MFI-Zertifikate enthalten. Doch USB-C Auth kam bisher nicht in Fahrt.
(K)ein Netzteil fĂŒr alles
Dem Traum von âeinem Netzteil fĂŒr allesâ stehen aber weitere Hindernisse im Wege. Denn zum Laden groĂer Akkus braucht man nun einmal mehr Energie als fĂŒr kleine. Ein 20-Watt-Netzteil beispielsweise lĂ€dt den 10-Wattstunden-Akku eines Smartphones in gut 30 Minuten, braucht fĂŒr den 50-Wattstunden-Akku eines Notebooks aber mindestens 2,5 Stunden. Und zwischen Speiseleistung, BaugröĂe und Gewicht eines Netzteils besteht ein grundsĂ€tzlicher Zusammenhang. Anders ausgedrĂŒckt: Ein winziges Smartphone-Netzteil taugt nicht fĂŒrs Notebook, umgekehrt packt man sich keinen 100-Watt-Ladeklotz in den Wanderrucksack.
Und auch wenn es mittlerweile sehr kompakte 60-Watt-Netzteile gibt, taugt nicht jedes davon fĂŒr schlanke Notebooks: Manche lassen sich damit gar nicht laden, andere nur langsam oder bloĂ dann, wenn sie im Standby schlummern. Starke Gaming-Notebooks mit 45-Watt-Prozessoren und 70-Watt-Grafik-chips brauchen schlieĂlich weiterhin dicke Netzteile, die deutlich mehr als 100 Watt liefern. Trotzdem hat USB-C das Potenzial, die Anzahl der pro Haushalt nötigen Netzteile zu verringern.
Innovationsbremse USB-C-Pflicht
Apple hat jedoch durchaus recht mit der Warnung vor Innovationsbremsen. Man munkelt etwa ĂŒber PlĂ€ne fĂŒr ein kommendes iPhone völlig ohne Buchsen. Kopfhörer wĂŒrde es per Bluetooth speisen, einen Fernseher per AirPlay 2 â und der Akku wĂŒrde ebenfalls drahtlos geladen, etwa per Qi-Standard. Solche Innovationen könnte eine USB-C-Pflicht vereiteln. Bei Smartwatches und Fitness-Trackern, die wasserdicht sein sollen, wĂŒrde eine Pflicht-Buchse ebenfalls stören.
Andererseits wiederum ist ein einheitlicher Ladestandard nur sinnvoll, wenn er mehrere Jahre StabilitĂ€t verspricht. Denn es geht ja auch um eingebaute LadeanschlĂŒsse in Verkehrsmitteln wie Autos, Flugzeugen und Reisebussen sowie in KonferenzrĂ€umen, an PC-Monitoren und TV-GerĂ€ten.
Politische Entscheidung
Die Frage ist nun: Was wiegt schwerer, kommende Innovationen oder ein einheitlicher Ladestandard mit hoffentlich positiven Auswirkungen auf Umwelt und Komfort? Das ist eine Entscheidung, die der EU-Gesetzgeber treffen muss. Das EU-Parlament hat dafĂŒr plĂ€diert, eine USB-C-Pflicht in gewissen AbstĂ€nden neu zu prĂŒfen.
Bei allem Zank sollte man nicht vergessen, dass sich USB-C bei Smartphones schon weit verbreitet hat: Die Vorteile der neuen Technik sprechen offenbar fĂŒr sich. Und selbst wenn Apple weiter seine Lightning-Extrawurst brĂ€t, sind iPhone-Adapterkabel fĂŒr USB-C-Netzteile problemlos erhĂ€ltlich.
Pflicht mit Ausnahmen
Christof Windeck
Die EU hĂ€tte schon vor Jahren USB-C als Standard-Ladebuchse fĂŒr Smartphones und Tablets vorschreiben sollen. Und zwar nicht als plötzlichen Zwang, sondern als Fahrplan zum allmĂ€hlichen, aber verpflichtenden Umstieg. Die Einigung zwischen EU und Smartphone-Herstellern aus dem Jahr 2009 hat bewiesen, dass solche Abkommen wirken: Micro-USB wurde zum Quasi-Standard. Doch schon damals war die EU spĂ€t dran: Mit dem iPhone kam ab 2007 das explosionsartige Smartphone-Wachstum, das Micro-USB rasch veralten lieĂ. Immer gröĂere Display-Diagonalen, stĂ€rkere Prozessoren und der Preisverfall lieĂen die Akku-KapazitĂ€ten ebenso rasch anschwellen, was wiederum höhere Ladeleistungen verlangte: Niemand will zehn Stunden warten, bis das Smartphone wieder lĂ€uft.
Eine salomonische Entscheidung wĂ€re eine USB-C-Pflicht mit innovationsfreundlichen Ausnahmen, vielleicht in Form von Aufpreisen: Wer draufzahlt, darf auch andere Ladetechnik nutzen. Das wĂŒrde die Billighersteller de facto zu USB-C zwingen, also die Mehrheit der GerĂ€te treffen. Dadurch könnte die Elektroschrottmenge schrumpfen. Im kleineren Edel-Segment bliebe Raum fĂŒr neue Ideen. Diese mĂŒsste die EU dann rascher ĂŒberprĂŒfen und zulassen, falls sie Vorteile bringen. Denn wer weiĂ heute schon, ob USB-C in zehn Jahren nicht völlig veraltet ist?
Dieser Artikel stammt aus c't 5/2020.
(ciw)