Zahlen, bitte! Die ISS: Menschlicher Außenposten in 408 Kilometer Höhe

Die Internationale Raumstation ISS umkreist die Erde permanent bemannt in 408 km Höhe und ist als Weltraumlabor für die Wissenschaft ein gewaltiges Hilfsmittel.

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Zahlen, bitte! Die ISS: Menschlicher Außenposten in 408 Kilometer Höhe
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Inhaltsverzeichnis

Die internationale Raumstation ISS ist ein einzigartiges Weltraumlabor von der Größe eines Fußballfeldes, das sich in einer Umlaufbahn in durchschnittlich 408 km Höhe befindet. Nur dort können über einen langen Zeitraum Experimente in Schwerelosigkeit und unter Weltraumbedingungen erfolgen. Sie ist ein erfolgreiches Gemeinschaftsprojekt von ursprünglich vier Weltraumagenturen und vierzehn beteiligten Nationen.

Neben der US-amerikanischen NASA, der russischen Roskosmos, der Kanadischen CSA sowie der japanischen Jaxa sind in Europa innerhalb der ESA Belgien, Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, die Schweiz, Spanien, sowie das Vereinte Königreich beteiligt. Eine weitere, lose Kooperation hat die USA mit Brasilien und Indien, außerdem hat Südkorea Interesse an einem Engagement.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Doch wie war der Weg zur ISS? Der österreichisch-kroatische Weltraumforscher Hermann Potočnik (auch unter dem Namen Hermann Noordung bekannt) beschrieb bereits 1929 in seinem ersten und einzigen Buch "Das Problem der Befahrung des Weltraums – Der Raketenmotor" im Detail eine mögliche dreimodulige Raumstation. Mit radförmigen Wohnbereich, Observatorium, sowie einem auf die Sonne ausgerichteten Parabolspiegel als Energiequelle. Durch Rotation sollte eine künstliche Schwerkraft erzeugt werden.

Hermann Potočnik, (im Bild als k.u.k. Oberleutnant) (*1892 der damaligen Markgrafschaft Istrien (heute Pula in Kroatien) †1929 verarmt in Wien) .
Er hatte visionäre und doch sehr konkrete Ideen zu künstlichen Satelliten und einer Raumstation.

Wie vielen frühen Visionären war auch ihm das Schicksal nicht gewogen: Noch im Jahr der Veröffentlichung seines Buches starb er 1929 verarmt in Wien. Seine Ideen wurden später in den 1950er Jahren durch Wernher von Braun in seinen Konzepten für eine Raumstation aufgegriffen. Eingang in die Popkultur fanden die charakteristisch runden Raumstationen 1968 in Stanley Kubricks Meisterwerk "2001 - Odyssee im Weltraum" und darüber hinaus 1984 als zentrales Element im Computerspielklassiker Elite.

Die erste reale Raumstation nahm am 19. April 1971 mit der russischen Saljut1 ihren Betrieb auf. Sie war 171 Tage im All, 24 davon mit Besatzungen. Es folgten die Jahre darauf weitere, stets verbesserte Versionen, wobei hier aus deutscher Sicht Saljut 6 am interessantesten ist: Vom 27. August bis zum 3. September 1978 verrichtete nämlich im Rahmen des DDR-UDSSR-Interkosmos-Programms der ostdeutsche Kosmonaut Sigmund Jähn seinen Dienst als erster Deutscher im Weltraum.

Die NASA schickte am 14. Mai 1973 mit einer vom gerade beendeten Apollo-Mondprogramm übergebliebenen Saturn-1B-Rakete (Entspricht der dritten Stufe der Saturn V) das Skylab in die Umlaufbahn. Aufgrund eines abgerissenem Mikrometeoritenschild drohte die Raumstation unbrauchbar zu werden, da die Sonneneinstrahlung den Innenraum zu sehr aufgeheizt hätte. Mit einer Reparatur ließ sich die Mission dann doch noch retten. Bis 1974 arbeiteten so insgesamt drei Teams mit insgesamt 9 Astronauten in der Station, die 1979 in Australien abstürzte, ohne jemanden zu verletzen.

Die erfolgreichste Raumstation vor der ISS war die russische MIR. Sie war von vom 19. Februar 1986 bis zum 23. März 2001 im All. Eigentlich nur für sieben Jahre geplant, war sie für insgesamt über 15 Jahre in Betrieb und beherbergte dabei 28 zum Teil internationale Langzeitbesatzungen, darunter mit Reinhold Ewald, Klaus-Dietrich Flade, Ulf Merbold und Thomas Reiter vier Deutsche. Viele Techniken, die später bei der ISS zum Einsatz kamen, wurden hier erprobt und entwickelt. Außerdem war sie ein erstes Beispiel für eine intensive internationale Zusammenarbeit.

Internationale Raumstation (8 Bilder)

Die Crew. BIld: Nasa

In den 1980er Jahren wollten die USA ihre Kenntnisse in langfristigen, stationären Weltraummissionen erweitern und suchten Partner. Sie traten mit der Idee an Kanada, Europa und Japan heran, die sich nach einigem Hin und her grundsätzlich interessiert zeigten. Geplant war der Start für 1992 – dem Jahr, in dem Christoph Kolumbus 500 Jahre zuvor den amerikanischen Kontinent entdeckte. Allerdings wurde am 28. Januar 1986 durch das tragische Challenger-Unglück die Umsetzung um Jahre verzögert. Hinzu kam, dass die vielen beteiligten Partner die Arbeit zur Herausforderung machten.

Die Perestroika Anfang der 1990er brachte eine ganz neue Facette: Nun bestand die Möglichkeit durch die Annäherung von West und Ost die Weltraumnation Russland mit ins Boot zu holen. Das hatte zum einen den Vorteil, dass die Kosten auf eine Schulter mehr verteilt werden konnte. Der größte Vorteil war allerdings, dass Russland die mit Abstand umfangreichsten Erfahrungen einbringen konnte, was die Entwicklung und den Betrieb einer Raumstation betrafen. Zudem versprachen die russischen Raketensysteme eine flexiblere Infrastruktur für den Bau und die Versorgung einer Station dieser Größe.

Der zunächst geplante Name "Freedom" wurde später in "International Space Station" umgeändert - er betonte mehr den Charakter der Zusammenarbeit und war weniger politisch.

Der ISS-Missionspatch

Am 20. November 1998 war es dann so weit: Mit Sarja ging das erste Teilstück der ISS auf die Reise.
Nach weiteren Aufbaumissionen wurde am 2. November 2000 der nächste Schritt eingeleitet: Die ersten drei Besatzungsmitglieder bezogen ihr Quartier auf der ISS, beziehungsweise in dem, was bislang schon aufgebaut war. Mit dem westlichen Verbindungsknoten Unity, dem Lager- und Funktionsmodul Sarja, sowie dem russischen Modul Swesda (welches einst geplant wurde als Nachfolger der Raumstation Mir) war der Grundstein gelegt für eine nun bemannte Raumstation. Und Schritt für Schritt wurde die ISS in verschiedenen Missionen weitergebaut.

Mit Proton- und Sojus-Raketen, aber vor allem durch das Space Shuttle wurde die ISS erweitert. Sollten eigentlich laut dem ambitionierten Zeitplan die Hauptmodule bereits bis 2004 angebracht sein, verzögerte die Columbia-Katastrophe abermals das Projekt: Bei dem Unglück am 1. Februar 2003 zerbarst das Space Shuttle beim Wiedereintritt. Alle Insassen fanden dabei den Tod. Bis 2005 erfolgten deshalb keine nennenswerten Erweiterungen mehr, erst ab 2006 ging der Aufbau weiter.

Seit 2009 ist die Standardbesatzung von drei auf sechs Personen heraufgesetzt worden. Mit der Versorgungsmission STS 135 flog die Atlantis die letzte Mission der Space Shuttles überhaupt. Seitdem erfolgt der Transport von Astronauten und Kosmonauten durch russische Kapseln, die Versorgung mit Gütern durch verschiedene Partner.

2008 kam durch die STS-122 das ESA-Columbus-Weltraumlabor dazu, welches in Bremen gebaut wurde. Das Labor hat die Maße von 6,9 m × 4,5 m und befindet sich am Verbindungsknoten 2. Das Labor ist der Hauptarbeitsort für die europäischen Astronauten und kostete in der Entwicklung etwa 880 Millionen Euro. Im Inneren befinden sich 16 Racks, die wie beim Einbauschrank modular mit verschiedenen Experimentanlagen, Computersystemen oder Minilaboren ausgestattet werden können. Das Columbus-Modul wird dabei mit 20 Kilowatt versorgt, wovon 13,5 KW für die Versorgung der wissenschaftlichen Geräte genutzt werden können.

Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst in einem Extravehicular Mobility Unit (EMU) - Raumanzug der NASA. Er flog 2014 und 2018 zur ISS.

Die ESA besitzt am westlichen Teil der Station 8,3 Prozent der Nutzungsrechte und der Crewzeit. Außerdem ist die Zusammenarbeit wie folgt gegliedert: Die Bereitstellung der Versorgung des Columbus-Forschungsmoduls (dem Hauptbeitrag der ESA an der ISS) mit Kommunikation, Energie, Kühlung, sowie Robotik übernimmt die NASA und die CSA. Die ESA wiederum stellt im Gegenzug der NASA 49 Prozent, sowie der CSA 2 Prozent der Nutzlastplätze im Labor zur Verfügung.

Experimente sind zum Beispiel das Biolab: ein Rack zur Erforschung von Mikroorganismen, Zellkulturen, sowie winziger Pflanzen sowie Tiere zur Untersuchung ihres Verhaltens unter Schwerelosigkeit. Das Fluid Science Laboratory dient der Erforschung von Flüssigkeiten wie Kraftstoffen unter Effektivitäts- und Umweltgesichtspunkten. Mit den European Phisiology Modules wird zudem die Wirkung der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper untersucht.

Dass die ISS im All zwar ein faszinierender, aber auch hochgefährlicher Arbeitsplatz ist, erfuhr der deutsche Astronaut Alexander Gerst am eigenen Leib: Ein offenbar durch eine falsche Bohrung verursachtes Loch bedrohte die Crew; sie mussten es abdichten. Außerdem musste aufgrund eines technischen Defekts der Start einer Sojus mit zwei Astronauten während des Flugs abgebrochen werden. Sie konnten allerdings wohlbehalten wieder landen.

Die ISS fliegt in durchschnittlich 408 Kilometern Höhe. Außerdem muss die Station regelmäßige Ausweichmanöver bei Gefahr einer Kollision mit Weltraumschrott vollziehen. Als wäre das noch nicht genug, muss die ISS die Bahn korrigieren - sowohl die Reibung der Restamosphäre als auch der solare Strahlungsdruck sorgt für Höhenverlust.

Obwohl der Betrieb der ISS sehr teuer ist (bisher geschätzte 150 Milliarden Dollar), stehen die Chancen gut, dass sie mindestens bis 2030 in Betrieb bleibt. Somit ist sie auch weiterhin regelmäßig als großer weißer Punkt am Himmel zu sehen, der mit 7,66 km/s über den Himmel zieht; sie bringt damit auch weiterhin Anhänger der Flache-Erde-Theorie in akute Erklärungsnot.

Mehr Infos

Maße: 108 x 80 x 88 m
Länge:
51 m (Rumpf)
73m (Solarmodule)

Nutzbare Labor- und Wohnraum: ca. 916 m3

Gesamtmasse: etwa 420 Tonnen

Umlaufbahn:
Apogäum: 320-430 km
Perigäum: 320-410 km

Bahnneigung: 51,6°
Umlaufzeit: ca. 94 Minuten

elelktrische Leistung: 84 KW

Solarzellenflächer: Insgesamt 4500 m2

Erstes Segment im All seit: 20. November 1998
Durchgehend bemannt seit: 2. November 2000


(mawi)