Auslieferung von Julian Assange an die USA: Harter Schlagabtausch zum Prozessauftakt

Die ersten Tage der Verhandlung über eine Auslieferung Julian Assanges an die USA zeigen, dass in den kommenden Wochen ein harter Schlagabtausch bevorsteht.

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Prozess um die Auslieferung von Julian Assange an die USA hat begonnen

(Bild: 360b/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Am königlichen Gerichtshof Woolwich in Ost-London haben am Montag die Verhandlungen über die Auslieferung von Julian Assange begonnen. Assange ist derzeit im Hochsicherheits-Gefängnis von Belmarsh inhaftiert und soll an die USA ausgeliefert werden, wo ihm laut Darstellung der Verteidigung durch den "Espionage Act" eine Haftstrafe von insgesamt 176 Jahren droht. Am Dienstag ging es dann richtig zur Sache: Haben Assange und seine Mitarbeiter bei Wikileaks mit ihren Veröffentlichungen wirklich das Leben von Informanten im Irak gefährdet? Hat Assange Chelsea Manning angestiftet, ihm Militärgeheimnisse zu schicken?

Der zweite Tag der Anhörung, die auf vier Wochen Dauer ausgelegt ist, begann mit einem "Sicherheitsvorfall". Der amtierende Wikileaks Chef Kristinn Hrafnsson und andere Mitarbeiter wurden am Betreten der Besuchertribüne gehindert. Sie durften erst im Laufe des Nachmittags dort Platz nehmen. Gleichzeitig wurde bekannt, dass Julian Assange bei seiner Rückkehr vom ersten Verhandlungstag im Gefängnis mehrfach untersucht wurde, was die Verteidigung als "besondere Schikane" kritisierte.

Die Verteidigung begann ihr Plädoyer für eine Freilassung von Assange gemäß der Prozess-Strategie mit der Frage, ob Assange dem US-Gefreiten Bradley Manning (heute: Chelsea Manning) wirklich geholfen hat, sich im Irak Dateien aus dem militärischen, geschützten SIPRNET zu besorgen. Eine Hilfe von Assange habe nicht stattgefunden, so das Plädoyer, das sich auch in vielen später besprochenen Details auf die Aussagen von Manning in dem Prozess in den USA stützt. Zur Erinnerung: Chelsea Manning ist derzeit verhaftet und mit ihrer Verweigerung einer Aussage über den Fall Assange vor einer Grand Jury seit Mai 2019 mit einer Strafe belastet. Sie muss pro Tag an dem sie sich weigert, über Assange auszusagen, 1000 US-Dollar zahlen.

Wie am zweiten Verhandlungstag zum Auslieferungsbegehren der USA deutlich wurde, ist diese Haltung von Manning wichtig, weil sich die Verteidigung von Assange auf die Dokumente ihres Gerichtsprozesses stützen kann und herbeigeführte widerspüchliche Aussagen nicht zu erwarten sind. Einen großen Teil der Verhandlungen nimmt nämlich die Frage ein, inwieweit Julian Assange den Gefreiten Manning 2010 dazu angestiftet hat, geheime Informationen an Wikileaks zu übermitteln. Noch wichtiger ist die Frage, ob Assange und seine Mitstreiter Manning halfen, Sicherheitsmechanismen wie Nutzer- und Passwortabfragen zu überwinden. Im Unterschied zur Verwertung von zugespielten Informationen ist dies auch in den USA mit ihrem First Amendment und dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit keinem Journalisten gestattet.

In diesem Zusammenhang spielt die "Wikileaks most wanted List" aus dem Jahre 2009 eine wichtige Rolle. War sie, wie die Anklage am ersten Tag behauptete, eine zentrale Orientierung für Manning auf der Suche nach Daten, die die Missstände im Irak illustrieren?

The Most Wanted Leaks of 2009: Die Liste selbst entstand als Sommerspaß auf der Hackerkonferenz HAR 2009, als Wikileaks eine Art Wettbewerb um die Dateien auflegte, die am dringendsten der Öffentlichkeit zugeführt werden müssen. War sie, wie die Verteidigung argumentierte, gar nicht ursächlich, weil Manning nach Lektüre des Buches "The Good Soldiers" von David Finkel im Jahre 2009 über das Massaker an Zivilisten selbst zu suchen begann? Die nächsten Verhandlungstage werden dies herausarbeiten. (olb)