Überschätzte Unterschrift

Jahrhundertelang galt die Unterschrift eines Menschen als wichtiges Identitätsmerkmal.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
2

Vier Variationen, die ­heute als Signatur der gleichen Person durch­gehen: oben per Stift auf Papier, darunter per Stift auf einem Tablet, dann per Maus und schließlich per ­Fingerkuppe.

(Bild: Aufmaccher Unterschrift)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Boris Hänßler

Im frühen Mittelalter vertrauten die Menschen bei wichtigen Vereinbarungen ihren Augen, Ohren und manchmal sogar einer Ohrfeige: Wurde zum Beispiel ein Land weiterverkauft, schlugen einige Vertragspartner die jüngsten Zeugen, meist Kinder, als Gedächtnisstütze auf den Kopf. Das sollte sicherstellen, dass sie sich als Erwachsene an die Transaktion lebhaft erinnerten. Nicht Dokumente, sondern Zeugen waren die Autorität für Transfers – bis eines Tages die Unterschrift kam und alles veränderte.

Und heute? Wir unterschreiben zwar mehr als je zuvor, trotzdem scheint die Unterschrift wieder ziemlich irrelevant zu sein. Der Paketbote verlangt sie zwar, aber leisten muss man sie auf einem Bildschirm, immer zu klein, manchmal per Fingerkuppe. Wer hatte anschließend wirklich das Gefühl, der Schriftzug gleicht der persönlichen Unterschrift? Oft bietet der Paketbote sogar an, den Empfang gleich selbst zu bestätigen. Wir unterzeichnen beim Einkaufen mit EC-Karte, aber wann hat eine Kassiererin zum letzten Mal kontrolliert, ob der Schriftzug auf dem Kassenbon wirklich dem auf der Karte gleicht? Und selbst wenn: Viele EC-Karten werden zwar regelmäßig erneuert, nicht aber die Unterschriftsprobe, die man irgendwann einmal dafür abgegeben hat. Dass beides nach Jahren noch übereinstimmt, ist eher unwahrscheinlich.

Was für ein Niedergang – rund 400 Jahre nach ihrem endgültigen Aufstieg. Er begann, als sich eine neue Händlerklasse in Europa etablierte. Die Unterschrift war schlicht die schnellste und einfachste Methode, die unzähligen Handelsvereinbarungen zu ratifizieren. 1677 stellt in England der neu eingeführte Statute of Frauds (dt. "Betrugsstatut") klar, dass Verträge schriftlich zu fixieren und zu unterschreiben seien. (rot)