Fokus Prognosen: So berechenbar ist das Coronavirus

Mit Computermodellen wollen Forscher ermitteln, wie sich das neue Coronavirus Sars-CoV-2 ausbreitet und wie viele Opfer die Krankheitswelle fordern könnte. Gerade in den frühen Zeiten einer Epidemie entsteht so ein hilfreiches Bild.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
7

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Susanne Donner

Dem britischen Epidemiologen Neil Ferguson vom Imperial College fiel das Datendebakel um Covid-19 schon Mitte Januar auf. Lange bevor die chinesischen ­Fallzahlen offiziell in Zweifel gezogen wurden, befragte er ein digitales Modell, wie groß der Ausbruch in der Provinz Wuhan sein müsse, damit es zu mehreren Erkrankungsfällen im Ausland führen würde, wie damals der Fall. Er zog dazu auch die Flugdaten aus der Region Wuhan heran und spielte unterschied­liche Virus­eigenschaften durch. So kam er darauf, dass der ­Ausbruch in Wuhan schon am 18. Januar zwischen tausend und zehntausend Fälle umfasst haben muss. Gemeldet waren ­damals wenige hundert. Das war die erste wichtige digitale Diagnose: Die offiziellen Zahlen stimmen nicht.

Inzwischen hat selbst die Weltgesundheitsorganisation eingeräumt, dass die bekannten Zahlen – Anfang März waren es schon mehr als 110.000 Infizierte – nur die "Spitze des Eisbergs" sind. Die Erkrankung verläuft mitunter ohne Symptome, oder diese sind so unspezifisch wie bei einer Erkältung. Hinzu kommen überlastete oder nicht ausreichend gerüstete Gesund­heitssysteme besonders in China, aber auch in Nordkorea und anderen Ländern. Den Institutionen dort gelingt es nicht, die tatsächlichen Infektionen zu erfassen und zu melden. So ist ­wenig verwunderlich, dass Epidemiologen den Hochrechnungen aus digitalen Modellen mittlerweile lieber glauben als der offiziellen Statistik.

Die zweite wichtige digitale Diagnose folgte Ende ­Februar. Anhand ihrer Daten kam die Forschungsgruppe um ­Ferguson zu dem Schluss, dass vermutlich nur ein Drittel der Reisenden aus China, die mit Sars-CoV2 infiziert waren, auch gefunden wurden. "Das könnte zu zahlreichen bislang unerkannten Ansteckungsketten von Mensch zu Mensch außerhalb Chinas geführt haben", hält das Team in einer aktuellen Studie fest. Kurz darauf registrierte die WHO erstmals mehr neue ­Covid-19-Fälle im Rest der Welt als in China.

(wst)