Digitaler Unterricht: Lernsystem Moodle startet mit Anlaufschwierigkeiten

Schüler sollen wegen der Corona-Krise zu Hause lernen. Das klappt aber mit der Lernplattform Moodle nicht, wie das Beispiel Baden-Württemberg zeigt.

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Digitaler Unterricht: Lernsystem Moodle startet mit Anlaufschwierigkeiten

(Bild: Shutterstock/metamorworks)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Julia Giertz
  • dpa

Der Start in den wegen der Corona-Krise digitalen Unterricht im Südwesten war holprig. Zehntausende Schüler mussten sich mit der Lernplattform Moodle herumschlagen. Zu diesen gehört auch Samuel Hochwald. Der Achtklässler eines Stuttgarter Gymnasiums erzählt von seinen Problemen mit Moodle. "Die benötigte Seite habe ich nicht gleich gefunden, und die Aufgaben lassen sich nur langsam hochladen." Dass am Tag eins der Schulschließung in Baden-Württemberg der digitale Unterricht nicht reibungslos ablief, bestätigte auch der Landesschülerbeirat. Dessen Schnellumfrage ergab, dass Moodle "komplett gecrasht" ist, also wegen Überlastung nicht funktionsfähig war.

Das Kultusministerium hatte Moodle als Lernmanagementsystem bereitgestellt. Dieses kostenlose Instrument für interaktiven Unterricht ermöglicht es, Lerngruppen zu bilden, den Schülern Aufgaben und Materialien zuzuleiten und Arbeitsergebnisse zu bewerten. Moodle wird seit vielen Jahren von einigen Schulen sowie in der Lehrerfortbildung eingesetzt und weiterentwickelt. Das Ministerium bat um Verständnis für die Anlaufschwierigkeiten. Ressortchefin Susanne Eisenmann (CDU) betont: "So eine Situation hat es noch nie gegeben. Wir arbeiten alle rund um die Uhr mit Hochdruck an Lösungen." Infolge von sieben Millionen Webaufrufen von 71.000 verschiedenen Nutzern sei Moodle am Montag zusammengebrochen.

Der Sprecher des Landesschülerbeirats, Roman Rauch, bedauert, dass die Bildungsplattform "Ella" wegen technischer Mängel gescheitert ist. Sie hätte eine bessere landesweite Vernetzung zwischen Schülern und Lehrern gewährleistet als Moodle. Das Land will eine überarbeitete Version von "Ella" den Schulen erst bis zum Frühjahr 2023 anbieten. Der Landeselternbeirat sieht Baden-Württembergs Schulen hinsichtlich digitaler Bildungsangebote in der Steinzeit. Verbandschef Carsten Rees meint: "Nachdem die Bildungsplattform 'Ella' zusammengebrochen ist, stehen wir saublöd da." Da pflichtet Samuels Mutter, Franziska Buchwald, bei. Sie sagt: "In den letzten Jahren ist Moodle so wenig genutzt worden, dass nur wenige Serverplätze eingerichtet wurden." Für die Lehrer sei das System ein Feigenblatt – sie seien nicht wirklich bereit gewesen, sich mit der neuen Technologie zu beschäftigen. Deshalb komme es jetzt zu Kapazitätsengpässen.

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An der Gemeinschaftsschule im hohenlohischen Neuenstein, die eine Variante eines Lernprogramms von Microsoft nutzt, ist der erste Lerntag in der virtuellen Welt gut angelaufen. "Als ich heute um acht Uhr nachschaute, waren 30 von 50 Neuntklässlern online", erzählt Direktor Matthias Wagner-Uhl. Die wenigen Gemeinschaftsschulkollegen, die Moodle nutzten, hätten ihm hingegen von Schwierigkeiten berichtet. Kein Wunder, findet er. Moodle sei ein "Krückstock", komplex und schwer zu bedienen. Dem Ministerium fehle seit Jahren eine vorausschauende Digital-Strategie, sagt der Pädagoge, der auch Sprecher des Verbandes der Gesamtschulen ist. Baden-Württemberg hinke im Vergleich mit manchen Bundesländern, aber auch international hinterher. "Frau Eisenmann hat die Entwicklung verbummelt."

Das Ministerium betont, vom Zusammenbruch von Moodle sei nicht nur Baden-Württemberg betroffen. "Überall in Deutschland sind durch die Ausnahmesituation in Firmen und Schulen Angebote über das Internet ausgefallen – auch Microsoft-Angebote."

[Update v. 19.03.2020, 10:11 Uhr]: Der Betreiber von Moodle, Baden-Württembergs extended LAN (BelWü), hat bekannt gegeben, dass nur ein Teil von 904 Moodles betroffen sei (Stand 18.03.2020). Diese würden auf Servern laufen, die "stark überlastet" sind, heißt es von Peter Merdian, zuständig für Koordination bei BelWü. 240 weitere Bestands-Moodles seien bereits auf schnellere Server umgezogen. 4000 Moodles sollen am Samstag in einer "Hauruckaktion" neu bereitgestellt worden sein. Diese würden bereits auf schnellen Servern laufen. Merdian räumte ein, dass es bei den neuen Moodles Anlaufschwerigkeiten gebe. Der Umzug der Bestandsmoodles laufe seit Jahresanfang. Aufgrund von Personalknappheit aber nicht so schnell wie man "es gerne hätte". Eine Anfrage von heise online zu konkreten Einschränkungen läuft.

[Update v. 19.03.2020, 11:47 Uhr]: Eine Sprecherin des Kultusministeriums Baden-Württemberg teilte mit, dass an den Hauptproblemen, der Auslastung der Server und Servergeschwindigkeit zusammen mit BelWü gearbeitet wurde. Zusätzliche Serverleistung wurde dazugekauft, "um für steigende Zugriffe gewappnet zu sein". Dies sei eine perspektivische Maßnahme. Mittlerweile, so heißt es aus dem Ministerium weiter, habe es "zahlreiche positive Rückmeldungen seitens Schulen und Lehrkräften gegeben". (olb)