Coronakrise: Verlagen brechen Werbeeinnahmen weg

Nachrichten sind derzeit hoch gefragt. Dennoch sinken die Umsätze für einige Medien im bedrohlichen Maß. Ein Grund dafür: "Brand Safety".

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Coronakrise: Verlagen brechen Werbeeinnahmen weg

(Bild: Ollyy/Shutterstock)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Mit der Coronavirus-Krise ist der Hunger nach Nachrichten gestiegen. Dennoch haben insbesondere werbefinanzierte US-Angebote Probleme, den Leseransturm auch in Einnahmen umzusetzen, da viele Werbeeinnahmen derzeit wegbrechen.

Gerade die lokal deutlich unterschiedlichen Gegenmaßnahmen der Krise haben die Nachfrage nach Lokal- und Regionalzeitungen stark gesteigert. So verzeichnet der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) eine Steigerung der Reichweite um 34 Prozent auf 46,2 Millionen Unique User. Besonders stark war das Wachstum bei den regionalen Abonnement-Zeitungen. Hier stieg die Nachfrage im Vergleich zum Januar um 57,3 Prozent auf 39,4 Millionen Nutzer.

Doch diese zusätzliche Nachfrage macht sich nicht unbedingt in zusätzlichen Einnahmen bemerkbar. Denn große Markenhersteller versuchen ihre Werbung gerade nur im positiven Kontext zu veröffentlichen. Nach internen Daten, die Buzzfeed News vorliegen, hat alleine ein großer Markenhersteller auf über 100 internationalen Websites 35 Millionen Mal die Auslieferung von Werbung abgeblockt.

Die sogenannte "programmatische Werbung" basiert darauf, dass Anzeigenkunden keine festen Anzeigenplätze mehr buchen, sondern ihre über die Interessen und Konsumprofile der Nutzer quer über Tausende verschiedener Websites verteilen. Da diese Methode aber dazu führte, dass Werbungen mitunter neben extremistischen Inhalten auftauchte, hat sich in den letzten Jahren eine Dienstleistungs-Sparte etabliert, die den Werbetreibenden "Brand Safety" verspricht. Sprich: Die Werbung gerade großer Markenhersteller soll nur in positiven Kontexten auftauchen.

Statt nur schlechte Werbeumfelder wie Websites mit gezielten Falschinformationen zu blockieren, betreffen die Sperren auch seriöse Berichterstattung zu unbeliebten Themen. Laut Statistik des Adtech-Anbieters Integral Ad Science lag der Begriff "Coronavirus" bereits im Februar auf Platz 3 der meistgeblockten Keywords in den USA. Das Ergebnis: Trotz erheblich erhöhter Nachfrage nach Informationen sinken die Umsätze. Laut dem Fachmagazin Adage hat die New York Times die Umsatzerwartungen um 10 Prozent gesenkt. Das Portal Business Insider verzeichnete ebenfalls einen zehnprozentigen Rückgang bei den erzielten Umsätzen pro Anzeige.

David Cohen, Präsident des Interactive Advertising Bureau, hat deshalb einen eindringlichen Appell an die Werbetreibenden gerichtet: "Wir bitten alle Markenhersteller, Agenturen und Verifikations-Dienstleister in der digitalen Wertschöpfungskette, die Nachrichten nicht zu blockieren." Nun seien alle gefordert, die entsprechenden Begriffe aus ihren Blacklists zu löschen. "Je schneller Sie das tun, umso mehr Leben retten sie", schreibt Cohen.

Verlässliche Informationen zu Zeiten einer Pandemie seien essenziell, argumentiert der IAB-Präsident. Nur mit der Finanzierung seriöser und verlässlicher Informationsquellen könnte etwa den grassierenden Falschinformationen etwas entgegengesetzt werden. Zumindest auf dem Papier zeigt der Appell Wirkung. So hat der Dienstleister Double Verify inzwischen versprochen, seine Technik einzusetzen, um insbesondere Nachrichtenmedien vermehrte Reichweite bei Werbekunden zu verschaffen.

Aus Deutschland kommen ähnliche Stimmen. "Wir ermuntern Werbetreibende, Kampagnenauspielungen auf Nachrichtenseiten nicht pauschal einzustellen", erklärt etwa Philipp von Hilgers, stellvertretender Vorsitzender der Fokusgruppe Digital Marketing Quality im Fachverband BVDW.

Allerdings gibt es laut Verbandsangaben auf dem deutschen Online-Werbemarkt keinen so extremen Rückgang bei den Werbeeinnahmen wie in den USA. "Wir spüren als Branche keinen Einbruch", sagt Julian Simons (Mediascale), Vorsitzender der Fokusgruppe Programmatic Advertising im BVDW. Jedoch gebe es Verschiebungen in den werbenden Bereichen. "Handelsunternehmen ohne Onlineshops werben wesentlich weniger, Spieleanbieter, Pharma- und Gesundheitsunternehmen, Handelsunternehmen aus dem Foodbereich oder mit Onlineshop mehr", erklärt Simons.

Ursprünglich hatte der Verband für dieses Jahr ein Plus von sieben Prozent bei der Onlinewerbung für das laufende Jahr erwartet. Wie sich das tatsächliche Ergebnis jedoch angesichts der grundlegenden Eingriffe in das Wirtschaftsleben entwickelt, kann derzeit nicht prognostiziert werden. Verlage müssen sich aber auf schmerzhafte Einbußen gefasst machen. So hat Coca Cola Deutschland angekündigt, zum April seine kompletten Werbe-Maßnahmen einzustellen. Allein für April wird ein Einbrechen der Anzeigenerlöse bei Zeitungen um 80 Prozent erwartet, wie eine Sprecherin des BDZV gegenüber heise online mitteilte. Ob die Ausfälle durch erhöhte Online-Umsätze zumindest teilweise auszugleichen sind, ist noch gänzlich unklar.

Die Verlage versuchen unterdessen, sich auf einem schmalen Grat zu bewegen. Viele Medien stellen grundlegende Informationen weiterhin kostenfrei bereit, machen aber gleichzeitig Werbung dafür, sich für die Abo-Angebote zu entscheiden. (bme)