​Digitalisierung: Einsame Krieger ​

Die Zauderer in Sachen Digitalisierung sind nicht nur in Politik und Verwaltung, sondern überall vertreten. Ein optimistischer Blick in die Zukunft nach der Krise.

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​Digitalisierung: Einsame Krieger ​
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Tim Gerber

"Schön, dass ich Sie per E-Mail erreichen kann!" Mit diesen Worten begann die Nachricht einer Grundschullehrerin an eine "Liebe Familie Gerber", die sich am 22. März versehentlich in mein Postfach verirrte. Die Materialien für den Sohn habe sie jetzt ausgedruckt und die könnten am folgenden Montag zwischen 8 und 13 Uhr in der Schule abgeholt werden. Warum hatte die Lehrerin das denn nicht gleich digital und ohne jedes Ansteckungsrisiko übersandt? Die Antwort kam prompt und überraschend:

"Zum Thema Digitalisierung in der Grundschule bin ich ein recht einsamer Krieger im Lehrerdschungel. Auch für die Grundschulkids gibt es Plattformen, über die diese elektronisch Arbeitsmaterial erhalten und bearbeiten können. Jetzt, in Zeiten von Corona, kommt die Sache endlich ins Rollen, aber leider nur schleppend. Nun wird zunächst einmal der Fokus auf die Sekundarstufen gelegt. Mal sehen, was sich für die Grundschule überlegt wird. Mobile Endgeräte sind in meiner Klasse zu 100 Prozent vorhanden."

Die Mail kam nicht etwa aus einem noblen Vorort von Düsseldorf oder München, ­sondern aus einer ziemlich strukturschwachen ­Gegend im Nordwesten Deutschlands. Auch dort haben offenbar alle Schüler der 4. Klasse bereits ein Smartphone. Demgegenüber sind die Schulen wie auch weite Teile der öffentlichen Verwaltung schlecht darauf vorbereitet, die ­Folgen des Corona-Lockdown mit Hilfe digitaler Technik zu mildern.

Wer dafür allein Politik und Verwaltung verantwortlich macht, der irrt. Denn die Zauderer sind überall. So bietet etwa die Stadt Dresden ihren Bürgern die rechtsverbindliche Kommunikation per De-Mail an. Doch die Digital-Enthusiasten im Rathaus sind bitter enttäuscht: Nur etwa 100 Bürger haben das Angebot bislang genutzt.

Aber vielleicht sind wir gar nicht so schlecht vorbereitet. Schließlich gibt es nicht nur die Zauderer, sondern auch diejenigen, die die Digitalisierung vorantreiben mit Ideenreichtum und Engagement. Die "Einsamen Krieger" nicht nur im Schul-, sondern auch im Verwaltungsdschungel und überall in der Gesellschaft. Sie werden sich jetzt nicht länger ausbremsen und hinhalten lassen. Und wir werden das Digitalisierungsrad nach der Krise nicht zurückdrehen. Schön, dass ich Sie mit dieser Botschaft auch digital erreichen kann.

Tim Gerber

Dieser Artikel stammt aus c't 9/2020. (tig)