Die Personalabteilung lernt schreiben

Die App Textio will Unternehmen helfen, offene Stellen schnell mit den richtigen Mitarbeitern zu besetzen.

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Die Personalabteilung lernt schreiben

(Bild: Textio)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Hans Dorsch

Zu den Kunden gehören Konzerne wie Johnson & Johnson, Procter & Gamble und Cisco. Ich teste die App nicht direkt, sondern lasse mich von Mitgründer Jensen Harris durch das Programm führen. Es läuft im Browser und zeigt nach der Anmeldung zunächst ein leeres Fenster. Harris gibt der Software den ersten Satz für die Suche nach einem Software Engineer vor: "We believe that the future of writing is data." Die KI bläht ihn zu einem fünfzeiligen Absatz auf: "We believe that the future of business documents is knowing how they'll perform before they're published. Our augmented writing platform is delighting customers, and we are looking for creative senior machine learning engineers to join our team and build genre-defining data products that provide our users with not only predictive power but also an unparalleled user experience."

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Wow – eine derartige Buzzword-Dichte muss ein menschlicher Autor erst einmal hinkriegen. Immerhin klingt es authentisch. Aber glaubt jemand ernsthaft, mit einem sage und schreibe 41 Wörter langen Satz Bewerber ködern zu können? Um fair zu bleiben: Ein anderer Testsatz enthielt weniger heiße Luft.

Für die gewünschten Fähigkeiten der Bewerber gibt Harris wieder ein paar Stichworte ein, und die Software macht daraus ausformulierte Sätze. Sie basieren darauf, was in seinem Unternehmen für diesen Job normalerweise verlangt wird. Allerdings ist die Software offenbar mit sich selbst unzufrieden und kommentiert ihren eigenen Text mit Anmerkungen wie "Sätze zu lang" oder "Wiederholungen". Das liegt wohl daran, dass Textio hier einfach zwei Programme zusammengeschraubt hat: Das erste klaubt Satzfragmente aus eigenen und öffentlich zugänglichen Stellenanzeigen sowie den Webseiten der jeweiligen Unternehmen zusammen, das andere überprüft den Stil und mosert daran herum.

Die Qualität von Texten bemesse sich am Erfolg der Anzeigen, argumentiert hingegen Textio. Dazu greife das Tool auf Applicant-Tracking-Systeme zu, mit denen viele Unternehmen ihre Bewerbungsverfahren organisieren. Textio sieht so, wie viele Bewerbungen auf eine Anzeige eingegangen sind und wie schnell sie besetzt wurde. Es lernt so auch, welche Wortwahl welches Geschlecht anspricht. Anzeigen mit dem Wort "phenomenally" erreichen eher männliche Bewerber, "extraordinary" eher weibliche. Warum auch immer.

Um Texte möglichst geschlechtsneutral zu formulieren, gibt es im Tool einen Zeiger, der dann in der Mitte zwischen männlich und weiblich stehen sollte. Beherzigt man sämtliche Empfehlungen, soll das den potenziellen Erfolg der Anzeige erhöhen.

Produkt: Textio
Hersteller: Textio, Inc.
Preis: unterschiedlich

TR-Autor Hans Dorsch hat mit der App Textio, Grammarly und LanguageTool drei Anwendungen getestet, die versprechen die Textqualität zu verbessern.

Die App Textio ist verführerisch: Einfach ein paar Stichworte eingeben und daraus einen Text erstellen lassen. Der ist dann allerdings nicht besser als das Trainingsmaterial – garbage in, garbage out. Aber vielleicht bringt die KI ja mit jeder neuen Lernschleife bessere Formulierungen an die Oberfläche, die das eigene Schreiben voranbringen. Nicht-Muttersprachlern, die stilistisch saubere englische Texte schreiben wollen, sei Grammarly empfohlen, vor allem in der Premium-Variante. Und für das Korrekturlesen deutscher Texte ist LanguageTool hervorragend geeignet. Vielleicht erschließen die Macher ja noch ein paar Textdatenschätze und leiten daraus auch Hinweise zum guten Stil ab.

(bsc)