Smart Gardening: Mit künstlichen Nasen Pflanzen besser verstehen

Thomas Hausmaninger ist überzeugt, dass nicht nur welke Blätter und andere äußere Anzeichen etwas über den Zustand von Gewächshausgemüse verraten.

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Die Pflanzenflüsterer

(Bild: Robbes Little Garden)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Der gebürtige Österreicher ist Laserspektroskopie-Spezialist beim Nationalen Institut für Messtechnik (VTT MIKES) in Espoo, Finnland. Er ist überzeugt, dass Pflanzen sehr viel über ihr Wohlbefinden verraten, und das nicht nur über welke Blätter und andere äußerliche Anzeichen. "Erfahrene Gewächshausbetreiber sehen viele Probleme beim Durchgehen und können Schädlingsbefall manchmal sogar buchstäblich riechen." In modernden Hochleistungsgewächshäusern wachsen Pflanzen jedoch auf vielen Ebenen und werden teilweise vollautomatisiert versorgt. Dort ist persönliches Begutachten nicht mehr möglich. Deshalb wollen Hausmaninger und sein Kollege Guillaume Genoud künstliche Nasen für Pflanzen entwickeln.

"Pflanzen schicken uns subtile Nachrichten in Form von Gasen, die sie abgeben. Die Konzentrationen spiegeln ihren Stoffwechsel wider", erklärt Hausmaninger. Dieser Pflanzen-Atem könnte Auskunft darüber geben, ob sie gesund sind oder krank, ob ihnen etwas fehlt oder sie mit bestimmten Nährstoffen überfrachtet werden. Der Ansatz gleicht damit Bemühungen, im menschlichen Atem nach charakteristischen Gasprofilen zu suchen. Mit dem Gemüse-Atem wollen die VTT-Forscher Licht, Wasser, Temperatur, Nährstoffe und Kohlendioxid weitaus genauer dem Bedarf der Pflanzen anpassen und so den Ertrag steigern.

Es geht um Grundbedürfnisse: So reagiert etwa der Stoffwechsel kleinerer Pflanzen wie Kräuter besonders empfindlich auf Wassermangel. Hausmaninger will gemeinsam mit Biologen untersuchen, wie solche Stresssituationen das Gasprofil verändern. Ziel ist es aber auch, Pflanzenkrankheiten anhand von Spurengasen zu erken-nen, welche die Pflanzen oder die auslösenden Keime abgeben. "Wir sind gerade dabei zu identifizieren, welche messbar sind."

Nicht zuletzt lohne sich auch die Vermessung von Kohlenstoff-Isotopen im Umfeld der Pflanzen, sagt Hausmaningers Kollege Genoud. Pflanzen bevorzugen wahlweise Kohlendioxid mit dem 12C- oder 13C-Isotop, das leichtere 12C-Isotop für die Photosynthese. So können die Forscher vom Isotopenverhältnis in der Luft nahe den Pflanzen auf ihr Innenleben schließen.

Die Signale sind allerdings extrem schwach. "Pflanzen flüstern meistens", hauchte der Wissenschaftler beim Förderwettbewerb der finnischen Tech- Konferenz Slush 2019 zur Veranschaulichung der winzigen Gasmengen gerade noch hörbar ins Mikrofon. Dem Flüstern von Salat etwa kann Hausmaninger bislang nur mit hochempfindlichen Messinstrumenten im Labor lauschen. Dazu gehören beispielsweise Laserspektrometer, die Strahlen verschiedener Wellenlängen über die Pflanzen hinwegschicken und damit unterwegs angetroffene Gasmoleküle anregen. Detektoren fangen die Strahlen auf und ermitteln, wie viel Laserlicht die Moleküle absorbiert haben. Das verrät ihre Konzentration.

Mittlerweile gibt es einen mobilen Prototyp. Letztes Jahr sammelten die Forscher damit erste Felddaten in "Robbes kleinem Garten" in Lindkoski nordöstlich von Helsinki. Hier wachsen in einem herkömmlichen Gewächshaus und mehreren vertikalen Farmen Salate, Sprossen, Keimlinge und Kräuter. Geschäftsführer Robert Jordas interessiert sich neben der Erhebung von Gasprofilen auch dafür, wie er das Überdüngen mit Kohlendioxid vermeiden kann. "Wir wissen, dass wir den Ertrag bei einem optimalen CO2-Level um bis zu 20 Prozent steigern können", sagt Jordas.

Wenn die Technologie ausgereift ist, wollen die VTT-Forscher sie an einen Hersteller auslizenzieren oder selbst ein Start-up gründen, um das Messsystem an Betreiber vertikaler Farmen und Hochleistungsgewächshäuser zu verkaufen. "Wenn die Technik einmal steht, ist die Skalierung nur noch eine Geldfrage. Vor allem wenn es um potenziell große Ernteausfälle geht, dann steckt auch Geld dahinter", sagt Hausmaninger.

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(bsc)