Astronomie: Ausbreitungsgeschwindigkeit des Universums nicht überall gleich?

Eigentlich gehen Forscher davon aus, dass sich das Universum in alle Richtungen gleich schnell ausbreitet. Dem könnte aber nicht so sein, heißt es nun.

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Astronomie: Ausbreitungsgeschwindigkeit des Universums nicht überall gleich?

Die analysierten Galaxienhaufen und ihre Verteilung am Himmel.

(Bild: NASA/Chandra)

Lesezeit: 3 Min.

Das Universum dehnt sich möglicherweise nicht in alle Richtungen gleich schnell aus und erscheint damit in einem fundamentalen Aspekt anders als gegenwärtig angenommen. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Harvard auf Basis von Messdaten der beiden im Weltraum stationierten Röntgenteleskope Chandra und XMM-Newton. Darin haben sie ferne Galaxienhaufen gefunden, die viel schwächer strahlten, als es zu erwarten wäre, erklären sie im Fachmagazin Astronomy & Astrophysics. Sie müssten damit deutlich weiter von uns entfernt sein, als sich aus ihrer Geschwindigkeit ergebe.

Eigentlich basieren gegenwärtig viele Berechnungen zu fundamentalen Eigenschaften unseres Universums auf der Annahme, dass es sich "wie ein frisch geformtes Rosinenbrötchen" ausdehnt, das zum Aufgehen ins Warme gestellt wurde, schreiben die Forscher. Dabei erfolge die Größenzunahme demnach "wie bei einem guten Hefeteig" in alle Richtungen gleichmäßig. Die nun analysierten Galaxienhaufen wären in dem Bild quasi die Rosinen in dem aufgehenden Teig. Je weiter sie von uns weg sind, desto schneller müssten sie sich auch von uns weg bewegen. Gleichzeitig müsste die bei uns ankommende Lichtmenge sinken. Genau das haben die Forscher nun aber nicht beobachtet: Teilweise seien die Galaxienhaufen lichtschwächer gewesen, als sie es auf Basis ihrer Geschwindigkeit sein dürften.

Für die Beobachtung gibt es den Wissenschaftlern zufolge drei mögliche Erklärungen: So könnte die gemessene Röntgenstrahlung auf dem Weg zur Erde abgeschwächt werden. Weil es die Diskrepanz bei vorläufigen Tests aber auch in anderen Wellenlängen gebe, sei das "extrem unwahrscheinlich". Denn dafür müsste ein möglicher Materienebel verschiedene Strahlungstypen unterschiedslos absorbieren. Möglicher wäre weiterhin, dass die beobachteten Galaxiengruppen durchgehend von gigantischen Strukturen im All in die gleiche Richtung gezogen würden. Sollte das der Fall sein, wären aber ebenfalls viele fundamentale Annahmen zum Universum falsch, meint der Forschungsleiter Konstantinos Migkas aus Bonn.

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit am Himmel: Violett langsamer als erwartet, gelb schneller. Erwartet hätte man einfarbiges rot.

(Bild: Konstantinos Nikolaos Migkas, Uni Bonn/Astronomy & Astrophysics )

Aus diesen Gründen bringen sie mit dem dritten Erklärungsversuch die gravierendste an: Möglicherweise sei das Universum überhaupt nicht isotrop, dehne sich also nicht in alle Richtungen mit gleicher Geschwindigkeit aus. Das könnte beispielsweise an der rätselhaften Dunklen Energie liegen, die häufig ins Spiel gebracht wird, wenn astronomische Messungen den Theorien widersprechen. Eine Theorie, die die nun vorgestellten Beobachtungen erklären könnte, fehle aber noch, ergänzen die Forscher. Sie warten nun auf das deutsche Röntgenteleskop eRosita, das Tausende weitere Galaxienhaufen vermessen soll. Für ihre Studie haben die Forscher Daten zu insgesamt mehr als 800 ausgewertet beziehungsweise zusammengetragen. (mho)