Metall auf Metall: BGH bleibt im Sampling-Streit auf EuGH-Linie

Auch nach dem BGH-Urteil bleibts kompliziert: Moses Pelham durfte ein Kraftwerk-Sample benutzen, die Aufnahme aber unter EU-Recht nicht mehr vervielfältigen.

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Metall auf Metall: BGH bleibt im Sampling-Streit auf EU-Linie

Kraftwerk-Mitglied Ralf Hütter (l.) hatte gegen die Verwendung eines Samples durch Moses Pelham geklagt.

(Bild: 360b/Shutterstock.com)

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Inhaltsverzeichnis

Der jahrelange Rechtsstreit um das Sampling einer Rhythmussequenz geht in eine weitere Runde, nähert sich aber dem Ende. Zwar durfte der beklagte Musikproduzent Moses Pelham ein Sample aus Kraftwerks "Metall auf Metall" im Jahr 1997 für einen Song der Sängerin Sabrina Setlur verwenden, doch schließe die EU-Urheberrechtsrichtline eine solche Nutzung seit Ende 2002 aus, stellte der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in Karlsruhe fest und verwies das Verfahren erneut an das Oberlandesgericht Hamburg zurück. Der BGH hatte sich bereits zum vierten Mal mit dem Fall beschäftigt (Az. I ZR 115/16).

Den Hamburger Kollegen gibt der BGH dabei einige Feststellungen mit auf den Weg. Die Karlsruher Richter betonen, dass bei der Beurteilung des Falls zwischen der Zeit vor und nach dem 22. Dezember 2002 zu unterscheiden ist. Bei der Einspielung von "Nur mir" mit dem Kraftwerk-Sample konnte sich Pelham demnach auf die Ausnahmeregelung der "freien Benutzung" in §24 Urheberrechtsgesetz berufen. Der BGH rückt damit von seiner vorherigen Auslegung ab, dass diese Ausnahme ausscheidet, "wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen".

Doch seit Ende 2002 gilt eine EU-Richtlinie, die eine weitreichende Ausnahme für freie Benutzung wie im deutschen Recht nicht vorsieht. Auch auf mögliche Ausnahmen für Zitate, Parodien oder Pastiches könne sich Pelham womöglich nicht berufen. Der BGH hält es daher ausdrücklich für möglich, dass das Vervielfältigungsrecht der Kläger als Tonträgerhersteller nach 2002 verletzt wurde, nicht jedoch ihr Verbreitungsrecht. Doch hatte das OLG dazu keine Feststellungen getroffen, weshalb es jetzt erneut entscheiden muss.

"Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen", sagte der Vorsitzende BGH-Richter Thomas Koch. Das OLG Hamburg muss nun feststellen, ob nach dem Stichtag noch Tonträger mit dem Song vervielfältigt und in Verkehr gebracht wurden. Davon sei nicht ohne Weiteres auszugehen, schreiben die Karlsruher Richter ihren Hamburger Kollegen ins Aufgabenbuch. Auch muss sich das OLG mit weiteren Argumenten der Kläger auseinandersetzen, die sich auf Leistungsschutzrecht und Wettbewerbsrecht stützen.

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Der Rechtsstreit zwischen Pelham und Mitgliedern der Band Kraftwerk beschäftigt deutsche und europäische Gerichte seit fast 20 Jahren. Es geht um eine kurze Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" der Elektro-Pioniere Kraftwerk, die Pelham ohne Genehmigung in dem 1997 erschienenen Stück "Nur mir" von Sabrina Setlur verwendet hatte. Dagegen hatte Kraftwerk-Gründungsmitglied Ralf Hütter 2004 Klage eingereicht und war durch die Instanzen bis zum Bundesgerichtshof (BGH) zunächst erfolgreich.

Doch nachdem das Bundesverfassungsgericht alle Entscheidungen kassiert hatte, weil die Kunstfreiheit nicht ausreichend berücksichtigt wurde, musste sich der BGH erneut damit befassen und schaltete den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Die EU-Richter hatten Sampling unter Verweis auf die Kunstfreiheit zwar grundsätzlich ermöglicht, aber auch Grenzen gezogen. Das Sample dürfe für den Hörer nicht mehr wiedererkennbar sein. Weitreichende Folgen hat die Feststellung des EuGH, dass die deutsche Ausnahme für freie Benutzung nicht mit EU-Recht vereinbar sei.

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Klagevertreter und Musikindustrie begrüßten das Urteil. Sie betonen, dass Sampling nur dann ohne Zustimmung des Urhebers erlaubt ist, wenn die übernommene Sequenz nicht mehr wiedererkennbar ist. "Wir freuen uns natürlich, dass der BGH zur Frage der Wiedererkennbarkeit nichts an den Feststellungen der Vorinstanzen geändert und die Verletzung des Vervielfältigungsrechts grundsätzlich bejaht hat", erklärte Kraftwerk-Anwalt Hermann Lindhorst. "Sampling unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit bleibt damit eine Urheberrechtsverletzung."

"Es ist aus Branchensicht erfreulich, dass die heutige BGH-Entscheidung eng den im Juli 2019 neu eingeführten Vorgaben des EuGH folgt", begrüßte auch der Chef des Bundesverbands Musikindustrie, Florian Drücke, das Urteil. "So verfestigt der BGH nun die Kriterien, wann Sampling unter die Kunstfreiheit fällt, die gegebenenfalls schwerer wiegen kann als Eigentumsrechte – und wann nicht, und sorgt dadurch für mehr Rechtssicherheit. Ein Sampling ohne Zustimmung des Rechteinhabers wird auch künftig regelmäßig nur dann erlaubt sein, wenn die übernommene Sequenz so erheblich verändert wird, dass sie für den durchschnittlichen Musikhörer nicht mehr wiedererkennbar ist."

(vbr)