Auswirkungen der Pandemie auf die IT-Branche

Im Großen und Ganzen leidet auch der Digitalsektor unter dem Lockdown. Die langfristigen Folgen könnten allerdings positiv ausfallen.

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Auswirkungen der Pandemie auf die IT-Branche

(Bild: Pixabay / Gerd Altmann)

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Der Online-Händler Notebooksbilliger.de spürte die Folgen der Pandemie bereits einige Wochen vor der Kontaktsperre. Die ersten Gerüchte über Schulschließungen und Homeoffice ließen die Zahl der Bestellungen in die Höhe schnellen. „Unser Online-Umsatz lag im Februar und März fast doppelt so hoch wie im Vorjahr“, sagte CEO Oliver Hellmold der c’t. Viele Unternehmen und Behörden seien nicht auf das Arbeiten von zu Hause aus vorbereitet gewesen, einige hätten Notebooks in 1000er-Chargen geordert.

Auch einige weitere Tech-Firmen haben vom Lockdown profitiert, zum Beispiel Amazon, TeamViewer und Zoom. Doch das sind Ausnahmen: Die Folgen der Pandemie haben auch die IT-Branche hart getroffen. Schließlich halten Konsumenten ihr Geld zusammen, Firmen haben Investitionen gestrichen.

In Deutschland zeigt das zum Beispiel der „Digitalindex“ des Branchenverbandes Bitkom und des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo. Im April sank der Gradmesser für die aktuelle Geschäftslage auf den niedrigsten Wert seit Oktober 2009. Berücksichtigt sind dabei in erster Linie Elektronikhersteller, Softwareentwickler, IT- und Telekommunikationsdienstleister sowie Händler. „Es gibt nur ein Segment, das keine eindeutigen Corona-Bremsspuren zeigt, das sind die Telekommunikations-Dienste“, sagte Bitkom-Chefvolkswirt Axel Pols.

Damit steht die Digitalbranche noch vergleichsweise gut da. Der allgemeine Ifo-Index stürzte im April auf den schlechtesten jemals gemessenen Wert ab. Ähnlich sieht es auf dem Arbeitsmarkt aus: Digitalexperten sind insgesamt weniger gefragt als noch im Winter, aber sie müssen sich weniger Sorgen machen als viele andere Berufsgruppen.

„Seit Corona ist der Stellenmarkt für IT-Fachkräfte etwas schwächer geworden, aber nicht eingebrochen“, sagte ein Sprecher von Hays, einem der größten Personalvermittler für Digitalexperten. Profitiert hätten vor allem Admins sowie Cloud- und Security-Spezialisten. Schwächer laufe die Nachfrage nach Business-Analysten und Projektleitern.

Deutlich härter als Arbeitnehmer treffe der Lockdown allerdings Selbstständige, betonte Andreas Lutz, Vorstands­vorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen (VGSD). Bei ihnen kämen die von der Politik beschlossenen Soforthilfen noch nicht an. Die in Aussicht gestellten Summen reichten außerdem nicht aus, weil weder Verdienstausfall noch Lebenshaltungskosten übernommen würden.

In einer aktuellen VGSD-Umfrage meldeten nur vier Prozent der IT-Selbstständigen, dass sie aufgrund der Pandemie mehr Umsatz machen. Zwei Drittel berichteten von signifikanten Rückgängen. Mehr als die Hälfte sagte, ihr aktuelles Einkommen reiche nicht mehr für die privaten ­Ausgaben. „Sie sind damit allerdings noch die Gruppe der Kleinunternehmer und ­Solo-Selbstständigen, die am wenigsten stark betroffen sind“, sagte Lutz.

Doch die langfristigen Folgen könnten anders aussehen als die aktuelle Lage: Viele Experten sagen voraus, dass weite Teile der IT-Branche in den nächsten ­Jahren von den Folgen der Pandemie ­profitieren werden.

Das Beratungsunternehmen Gartner geht zum Beispiel davon aus, dass die ­Finanzbranche künftig auch Tätigkeiten aus dem Homeoffice erlaubt, die bislang nur im Büro erledigt wurden. Auch Regierungen und der Gesundheitssektor ­würden ihre IT-Ausgaben hochfahren, glauben die Analysten. Gartner-Konkurrent IDC rechnet ebenfalls mit positiven Konsequenzen für den IT-Sektor, „sobald der Staub sich legt“.

Auch der Online-Handel dürfte langfristig profitieren, weil viele Konsumenten im Lockdown auch andere Waren bestellt haben als sonst, etwa Lebensmittel. Bei Rewe sprang der Online-Anteil am Umsatz von einem auf knapp zwei Prozent, wie Chef Lionel Souque dem Spiegel sagte. Er rechnet auch mittelfristig mit einer ­Beschleunigung.

Auch Notebooksbilliger.de-Chef ­Oliver Hellmold erwartet, dass der Online-Anteil am gesamten Handel nicht mehr zurück auf das Vor-Corona-Niveau fallen wird. Auf die Frage, ob er ein schlechtes Gewissen hat, weil sein Unternehmen von der Krise profitiert, antwortet er ausweichend: „Wir haben das Glück, dass unser Geschäftsmodell Online ist.“ Aber man habe bewusst entschieden, auch die Mitarbeiter profitieren zu lassen.

So habe man zum Beispiel frühzeitig zehntausende Masken für die Mitarbeiter in den Logistikzentren bestellt und die Schichten verkürzt. Und wer keine Betreuungsmöglichkeit für seine Kinder habe und nicht im Homeoffice arbeiten könne, dürfe bislang bei vollem Lohn zu Hause bleiben.


Dieser Artikel stammt aus c't 11/2020. (cwo)