Kalifornien verklagt Uber und Lyft auf Angestelltenrechte

Hunderte Millionen Dollar sollen Uber und Lyft zahlen, meint die Staatsanwaltschaft. Sie hätten Chauffeure fälschlich als Selbständige eingestuft.

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Fahrt auf der Bay Bridge Richtung San Francisco in einem Lyft/Uber-Fahrzeug

In San Francisco haben Lyft und Uber ihre jeweilige Firmenzentrale.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.

Uber und Lyft müssen sich vor einem Gericht des Staates Kalifornien verantworten, weil sie Chauffeure als Selbständige behandeln. Die Staatsanwälte Kaliforniens, San Franciscos, Los Angeles' und San Diegos wollen die Chauffeure als Mitarbeiter behandelt wissen und erheben Klage. Verlieren die Unternehmen den Rechtsstreit, würde die das hunderte Millionen US-Dollar kosten.

Denn nicht nur müssten sie Strafen zahlen, sondern auch Mindestlohn, Arbeitslosen-, Unfall- und Krankenversicherung, sowie, zusätzlich zum Lohn, die Betriebskosten der Autos übernehmen. Hinzu kämen verpflichtende Arbeitspausen, bezahlter Krankenstand und bezahlte Elternzeit. Manche Chauffeure wünschen sich das, andere nicht, weil damit die Flexibilität bei der Wahl von Arbeitszeit und -ort verloren ginge, und sie wohl auch nicht mehr für mehrere Vermittler gleichzeitig bereit sein könnten.

2018 hat der kalifornische Supreme Court die Kriterien für die Unterscheidung zwischen Selbständigen und Unselbständigen aus geltendem Recht abgeleitet. Unselbständig beschäftigt ist demnach, wer unter der Kontrolle des Arbeitgebers arbeitet und sonst kein unabhängiges Geschäft gleicher Art betreibt. Außerdem muss die erbrachte Leistung zum üblichen Betrieb des Arbeitgebers zählen.

Diese Entscheidung ist seit Jahresbeginn auch in einem kalifornischen Gesetz kodifiziert, das gleichzeitig eine Reihe von Berufsgruppen von der Anwendung ausnimmt, darunter Ärzte, Anwälte, Buchhalter, Privatdetektive, Makler, Direktverkäufer sowie, für begrenzte Zeit, Kosmetologen und Fischer. Nicht erwähnt werden Chauffeure von Fahrtenvermittlern wie Uber und Lyft.

Uber vertritt seit jeher den Standpunkt, keine Transportleistungen zu erbringen, sondern Kunden an selbständige Transportdienstleister zu vermitteln. Letztere entscheiden selbst, ob und wann sie wo und wie lange ihre Leistung über Uber feilbieten. Also gehöre das Lenken von Kraftfahrzeugen nicht zum üblichen Geschäft Ubers, womit die Chauffeure nach kalifornischem Recht keine Angestellten seien, mit oder ohne AB 5.

Außerdem nutzten die meisten Lenker auch andere Vermittler als Uber, insbesondere Lyft, was ebenfalls gegen eine Anstellung spricht. Beide Unternehmen können sich unter anderem auf das Arbeitsministerium Vermonts berufen, das die Chauffeure als Selbständige einstuft. Die einschlägigen Paragraphen Vermonts sind fast wortgleich mit denen Kaliforniens. In New Jersey hingegen soll Uber eine halbe Milliarde Arbeitgeberabgaben nachzahlen.

In Kalifornien versuchen Uber und Lyft unterdessen, die Einführung einer neuen arbeitsrechtlichen Kategorie für ihre Chauffeure zu erwirken, die sich offenbar an den in Europa bekannten Freien Dienstverträgen orientiert. Sollten politische Verhandlungen nicht fruchten, möchten die beiden Firmen eine Volksabstimmung einleiten. Ziel ist ein einheitlicher Tarifvertrag für die gesamte Branche mit erstmaligen Mindeststandards bei Entlohnung, Krankenstandstagen und Unfallversicherung.

Das soll nicht nur Rechtssicherheit bringen, sondern auch dem drohenden Chauffeurmangel begegnen. Zwar gab es in Kalifornien vor der Coronavirus-Pandemie mehr als 200.000 Uber- und Lyft-Chauffeure, aber nur ein winziger Bruchteil arbeitete Vollzeit. Ungefähr die Hälfte fuhr weniger als zehn Stunden pro Woche. Weil viele nur für kurze Zeit bei der Stange blieben, mussten Uber und Lyft laufend neue Chauffeure anwerben, was zumindest vor der nun hohen Arbeitslosigkeit immer schwieriger wurde. Ohne einschlägiges Gesetz dürfen sich Lyft und Uber nicht auf gleichlautende Mindestleistungen für Lenker verständigen. Das wäre ein illegales Kartell.

(ds)