EU schwächt Klima-Auflagen für Automobilindustrie ab
- Gernot Goppelt
Ein Dauerstreitthema der letzten Jahre war die Frage, wie viel des schädlichen Treibhausgases CO2 Autos zukünftig ausstoßen dürfen. Nun haben sich Vertreter der EU-Staaten, der Europäischen Kommission und des Europaparlaments auf neue Obergrenzen geeinigt.
Ursprünglich war ein CO2-Ausstoß von 120 g/km für alle Neuwagen ab 2012 vorgesehen. Die jetzt gefassten Beschlüsse verschaffen dagegen den Autoherstellern etwas mehr Spielraum. Ab 2012 gibt es zunächst eine dreijährige Übergangsfrist, nach der erst ab 2015 wirklich alle Neufahrzeuge diesen Werte einhalten müssen. 2012 müssen 65 Prozent der Neuwagenflotte eines Herstellers das Limit erreichen, 2013 75 Prozent, 2014 80 Prozent. Abgemildert wurden auch die vorgesehenen Strafzahlungen für eine Überschreitung der neuen CO2-Grenzwerte. Für ein Gramm zu viel werden ab 2012 fünf Euro fällig. Für das zweite Gramm sind es 15 Euro, für das dritte 25 Euro und für jedes weitere Gramm 95 Euro. Erst ab dem Jahr 2019 sollen die 95 Euro bereits ab dem ersten Gramm gelten. Beschlossen werden sollen die Regelungen beim EU-Gipfel am 11. und 12. Dezember 2008 in Brüssel.
In der Politik und bei den verschiedenen Interessenvertretern rief die Einigung wie gewohnt höchst unterschiedliche Reaktionen hervor. So meint etwa Hekmuth Markov, Europaabgeordneter der Linken im Europparlament laut Linkszeitung, unter dem Druck der Autolobby hätten Rat und Parlament einen enttäuschenden Rückzieher auf Kosten der Klimapolitik gemacht. Die Vertreterin der Grünen in Europa, Rebecca Harms, sprach laut ZDF von „einer großen Blamage“ für die Klimapolitik der EU. Die Einigung lasse 2012 Emissionen zu, „die sogar die heutigen durchschnittlichen Emissionen überschreiten“. Auch ihre Kollegin im Bund, Renate Künast, sparte nicht mit Kritik: „Mit ihrer permanenten Bremsertätigkeit sind Merkel, Glos und Gabriel Schuld an diesem schlechten Kompromiss, der jetzt droht. Arbeitsplätze der Zukunft wird es nur mit Klimaschutz geben, auch in der Autoindustrie“, sagte sie der Passauer Neuen Presse.
Die Unions-Fraktionsvize Katherina Reiche (CDU) wies diese Kritik ebenfalls in der Passauer Neuen Presse zurück: Es sei vernünftig und geboten, den Branchen, die tief in der Krise stecken, nicht noch zusätzlich die Daumenschrauben anzuziehen. Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel verteidigte im Bayrischen Rundfunk den Kompromiss der EU: Für das Weltklima sei es nicht entscheidend, ob die Autoindustrie wie ursprünglich geplant 100 oder erst 65 Prozent der Auflagen einhält.
Damit der erzielte Kompromiss in Kraft treten kann, müssen der Ministerrat und das EU-Parlament noch zustimmen, mit einem endgültigen Übereinkunft ist kurz vor Weihnachten zu rechnen. (ggo)