Please Leave a Message: ein Schaufensterplotter für Corona-Zeiten

Wer derzeit in Berlin an der Werkstatt von Bastler Niklas Roy vorbei kommt, kann ihm und seiner Nachbarschaft eine kleine Nachricht hinterlassen.

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Please Leave a Message: ein Schaufensterplotter
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Niklas Roy
Inhaltsverzeichnis

„Please Leave A Message“ ist eine Art experimentelle, öffentliche Mailbox, die ich im Schaufenster meiner Werkstatt in Berlin aufgebaut habe. Passanten können mit ihren Smartphones darauf zugreifen, um Anderen eine nette Nachricht zu hinterlassen. Dabei macht es Spaß zuzusehen, wie die Nachrichten geschrieben werden, denn dies erledigt die solide Mechanik eines 30 Jahre alten "Aritma Colorgraf"- Plotters mit höchster Präzision.

Als ich mich dem Projekt widmete, befanden sich, bedingt durch COVID-19, weite Teile der Welt im Lockdown. In Berlin durften wir immer noch draußen spazieren gehen und die Sonne genießen, solange wir dabei im Kreis unserer Familien blieben und ansonsten Abstand voneinander hielten. Aber diese neue Wirklichkeit, die sich zunächst als Toilettenpapierkrise dargestellt hat, hinterließ ihre Spuren. Vieles fühlte sich plötzlich recht komisch an und Stimmung schien mir allgemein etwas bedrückt zu sein.

Meine kleine Bastelwerkstatt befindet sich in einem alten Ladengeschäft im Osten Berlins. Jeden Tag kommen hier viele Passanten vorbei, um im Park nebenan zu spazieren. Mit einer positiven Botschaft im Schaufenster wollte ich die Stimmung der Leute gerne aufhellen. Allerdings fehlte mir die zündende Idee für den konkreten Inhalt der Botschaft. Deshalb dachte ich mir, dass die Menschen auf der Straße nette Nachrichten auch selbst schreiben könnten, wenn ich die Infrastruktur bereitstelle, um die Botschaften in meinem Schaufenster auf unkonventionelle Art und Weise zu präsentieren.

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Im Keller hatte ich noch einen alten DIN-A3-Plotter, den mir mein Nachbar und Nerdfreund Günter letztes Jahr geschenkt hatte. Günter baute früher die unterschiedlichsten Elektroniken und den Plotter nutzte er, um aufwändige Platinenlayouts zu erstellen. Nach jahrelangem Lagern in diversen Kellern hatte zwar die Elektronik des Geräts etwas gelitten, doch die robuste Mechanik war offensichtlich noch völlig intakt. Deshalb beschloss ich, den Plotter zu zerlegen, nur die Mechanik zu behalten und die alten Platinen durch eine neue Elektronik zu ersetzen. Mikrocontroller, Motortreiber und alles Weitere hatte ich schon da – es musste nur alles miteinander verbunden werden werden. Nun steuert ein Arduino Mega kompatibles Board die beiden Schrittmotoren, welche den Stift in der X- und das Papier in der Y-Achse bewegen. Und über einen Leistungstransistor schaltet der Arduino den Elektromagneten, der den Stift auf das Papier drückt. Ein paar Testzeichnungen später war der Plotter wieder einsatzfähig!

Schaufensterplotter "Please Leave a Message" (9 Bilder)

Den Plotter habe ich im Schaufenster meiner Werkstatt aufgestellt.

Damit man von der Straße aus auf den Plotter zugreifen kann, habe ich noch ein NodeMCU-Entwicklungsboard mit einem ESP8266 darauf verbaut. Der ESP verfügt über ein eingebautes WLAN-Modul. Mit den in der Arduino IDE verfügbaren Codebeispielen und durch die zahlreichen Softwarebibliotheken war es ganz einfach, den Controller als Access Point einzurichten und einen einfachen Webserver darauf zu hosten. Wer plotten möchte, muss sich zunächst ins Netzwerk des ESP einloggen und anschließend eine lokale Webseite aufrufen. Der Weg scheint vielleicht etwas umständlich, hat aber den Vorteil, dass man nur auf den Plotter zugreifen kann, wenn man in direkter Umgebung des Ladens ist. Außerdem ist das Ganze nicht mit dem Internet verbunden, was die Sache sicherer macht.

Die einfache Webseite stellt ein Formular mit Textfeld zur Verfügung, in das man seine Nachricht schreiben kann. Drückt man auf den Knopf „Drucken“ wird der Text vom Smartphone erst an den ESP8266 geschickt und von dort über die serielle Schnittstelle an den Arduino Mega weitergeleitet. Dieser steuert den Plotter und druckt die Botschaft aus. Ein weiteres Modul, das ich noch hinzugefügt habe, war eine Echtzeituhr, da ich auch die genaue Uhrzeit und das Datum notieren wollte, zu dem die jeweilige Nachricht geschrieben wird.

Der letzte Schritt bestand darin, einen großen Holzrahmen zu bauen, auf den ich den Plottermechanismus aufgeschraubt habe. Unten im Rahmen hängt eine dicke Papierrolle. Das Papier bewegt sich durch den Plotter zur Oberseite des Rahmens, läuft dort über ein abgeschnittenes PVC-Abflussrohr als Walze und wird hinten von einem Motor wieder aufgewickelt.

Besonders an sonnigen Wochenenden erfreut sich der Plotter größter Beliebtheit. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen des Social Distancing scheinen die Menschen Spaß daran zu haben, Kontakt mit wildfremden Mitmenschen aufzunehmen. Dabei spielt die Art und Weise der Kontaktaufnahme sicher eine Rolle und der Plotter im Schaufenster ist zumindest ein echter Hingucker. Allerdings habe ich festgestellt, dass das Interesse am Schreiben von Nachrichten im Laufe der Zeit etwas nachgelassen hat.

Deshalb habe ich kürzlich ein Update der Installation erarbeitet: Das Textfeld in der Webseite habe ich durch ein einfaches Zeichenprogramm ersetzt und anstatt Nachrichten zu schreiben, kann man jetzt Bilder malen und diese vom Plotter zeichnen lassen. Präsentiert werden diese Kunstwerke in einem goldenen Bilderrahmen, den ich vorne am Holzrahmen angeschraubt habe. Bislang sind schon einige schöne Bilder zustande gekommen. Und derweil denke ich schon mal darüber nach, wie Version 3 des Schaufensterplotters aussehen könnte.

Weitere Details der Installation, die Quellcodes für den ESP8266 und den Arduino Mega, sowie einige der gezeichneten Bilder habe ich auf meine Webseite gestellt. (hch)