Bose-Einstein-Kondensat aus dem All

An Bord der Internationalen Raumstation ISS ist es gelungen, einen exotischen Stoff zu erzeugen, der Geheimnisse der Physik lüften könnte.

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Bose-Einstein-Kondensat aus dem All

(Bild: NASA)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Neel V. Patel

Das Gerät sieht aus wie ein kleiner Kühlschrank und hört auf den Namen Cold Atom Lab (CAL). Seit Mai 2018 fliegt es mit der ISS durch den Orbit und hat eine ganz spezielle Aufgabe: Atome im Vakuum auf Temperaturen von einem Zehnmilliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abzukühlen. Es handelt sich also, soweit man das so sagen kann, in jeder Hinsicht um einen der kältesten Orte des erforschten Universums. Und laut einer neuen Studie, die im Journal "Nature" veröffentlicht wurde, konnten Forscher diesen Ort nun verwendet, um einen äußerst seltenen Aggregatzustand zu erzeugen.

Das Bose-Einstein-Kondensat (BEC), auch als der fünfte Aggregatzustand bekannt, sind gasförmige Wolken aus Atomen, die sich nicht mehr wie einzelne Atome verhalten, sondern so, als befänden sie sich in einem Kollektiv. Die meisten Teilchen sind dabei im selben quantenmechanischen Zustand. BECs wurden zum ersten Mal vor über 95 Jahren von Albert Einstein und Satyendra Nath Bose beschrieben und doch erstmalig erst vor gerade einmal 25 Jahren in einem Labor von Forschern beobachtet.

Grundsätzlich gesprochen werden bei der Herstellung eines BEC die entsprechenden Atome (im Fall des CAL handelt es sich um Rubidium und Kalium) in eine ultrakalte Kammer injiziert, um sie zu verlangsamen. Eine magnetische Falle wird mit Hilfe einer stromführenden Spule in der Kammer erzeugt, um zusammen mit Lasern und anderen Werkzeugen die Atome zu einer dichten Wolke zu bewegen. Wenn es soweit ist, "gehen die Atome in gewisser Weise ineinander über", erklärt David Aveline, ein Physiker am Jet Propulsion Laboratory der NASA und Hauptautor der neuen Studie.

Die experimentelle Durchführung bedingt eine Regulierung der magnetischen Falle. Die Wolke der versammelten Atome dehnt sich dann aus, was nützlich ist, denn BECs brauchen es kalt und Gase neigen dazu, kühler zu werden, wenn sie sich ausdehnen.

Wenn die Atome in einem BEC zu weit auseinanderdriften, hören sie allerdings auf, sich wie ein Kondensat zu verhalten. An dieser Stelle wird die Mikrogravität in der niedrigen Erdumlaufbahn relevant, in der sich die ISS befindet. Versucht man das Volumen auf der Erde zu vergrößern, dann wird die Schwerkraft die Atome im Zentrum der BEC-Wolke einfach auf den Boden der Falle holen, bis die sich ablösen, das Kondensat verzerren oder komplett zerstören. Aber unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit können die Instrumente im CAL die Atome zusammenhalten, während das Volumen der Falle erhöht wird. Das führt zu einem langlebigeren Kondensat, was Forschern wiederum erlaubt, es länger zu untersuchen als auf der Erde möglich. Diese erste Probe mit dem CAL dauerte 1,118 Sekunden, doch das Ziel ist, die Wolke für bis zu 10 Sekunden beobachten zu können.

Obwohl es sich nur um einen ersten Schritt handelt, könnte das CAL-Experiment eines Tages die Grundlage für extrem empfindliche Instrumente legen, die die schwächsten Signale bislang nur teilweise erforschter Phänomene des Universums erkennen könnten, beispielsweise Gravitationswellen und dunkle Energie. Praktisch betrachtet glaubt Aveline, dass diese Ergebnisse den Weg ebnen könnten für eine Verbesserung von Bewegungssensoren. "Die Anwendungsgebiete reichen von Beschleunigungsmessern und Seismometern bis hin zu Gyroskopen", sagt er.

Bis dahin können die Forscher einiges mit dem CAL ausprobieren. Es können Bedingungen geschaffen werden, wie sie nur hier möglich sind. Das Forschungsteam weiß nun, dass es Bose-Eisenstein-Kondensat im Weltall herstellen kann. Der nächste Schritt besteht darin, die Einstellungen zu optimieren und herauszufinden, was passiert, wenn Parameter verändert werden.

(bsc)